19/10/2010

KARL ein KARL

Lieber Thomas

Wir bedanken uns bei Dir sehr für den wichtigen Anstoss zu einer Diskussion, den Du mit Deinem Artikel «Ist die freie Improvisation am Ende?» in der Dissonance 111 gegeben hast. Sie findet lebhaft statt, leider unter einem etwas kurzsichtigen Titel und leider teilweise mit unnötiger Aggressivität.

Du hast also erfreulich viele Reaktionen ausgelöst, einige etwas unausgereifte oder zu kurz greifende Gedanken von Dir sind bereits differenziert abgehandelt worden. Wir verweisen gerne auf den sachlichen, ausführlichen Beitrag von Miriam Sturzenegger. Es freut uns auch, dass vor allem die junge Generation sich vehement gemeldet hat – zu recht. Was bedarf es mehr, um zu zeigen, wie lebendig und relevant diese Musik und diese Szene sind?

Wir möchten nun nicht auf Einzelheiten Deines Artikels eingehen, sondern würden es vorziehen, einmal mit Dir persönlich bei einem Glas Wein darüber zu diskutieren, welche nostalgischen Impulse Dich zu diesem Artikel bewegt haben. Eine Nostalgie, von der Dein Artikel zwar getragen ist, deren Ursprung jedoch nicht artikuliert wird.

Wir finden es interessant, dass Du einen Anfang als Aufhänger für das Einläuten einer Endzeit nimmst. Für uns Beteiligte war das Konzert des Septetts in der WIM Zürich am 22. Juni 2010 eine Untersuchung, ob in dieser spezifischen Septettformation frei improvisierend musikalische Fragen auf den Punkt gebracht werden können. Mit zweifelsohne erfreulichem Ergebnis. Aber eben, ein Anfang: Nun wird ein Arbeitsprozess in Gang gesetzt, während dessen wir viel Zeit dafür aufwenden werden, die Tonsprache des Septetts zu vertiefen. Kein Ende: Wie auch Joseph Haydn nach der perfekten Sinfonie Nr. 99 die noch bessere Sinfonie Nr. 100, dann die weitere Tiefen auslotende Sinfonie Nr. 101 komponiert hat.

Das Endzeitliche, das Du zu erspüren meinst: Liegt es nicht eher im Ende einer alten Zeit, der Du etwas nachtrauerst, als frei improvisierte Musik vermeintlich aus einer «Gegengesellschaft» heraus sich entwickelte? Was auch damals nicht so war. Die Entwicklung des Free Jazz, der frei improvisierten Musik wurde immer durch rein musikalische Entscheidungen in Bewegung gehalten, die allerdings dann gesellschaftliche Folgen hatten: Wer eine verbindliche, gesellschaftlich anerkannte «Grammatik» verliess, geriet in den sogenannten «Untergrund».

Heute jedoch ist die Situation völlig anders als in den Sechzigern, Siebzigern und Achtzigern. Es gibt in diesem Sinne keine «Gegengesellschaft» mehr. Die 68-er-Generation hat einen Demokratisierungsprozess ausgelöst, der Folgen hatte: Mauern, die Widerstände boten und an denen wir uns rieben, wurden eingeebnet (die letzte vor 20 Jahren). Nun darf jeder und jede alles (mit allen positiven und negativen Konnotationen). Musikalisch bedeutet das «anything goes», dass jeder und jede für sich ästhetisch klar Stellung beziehen muss, um nicht im Unverbindlichen zu landen. Ein Problem, das sowohl komponierende als auch frei improvisierende Musikerinnen und Musiker kennen, denn es ist das grundlegende Thema der späten Postmoderne.

Wir jedenfalls sind froh, dass wir uns heute ganz auf die Musik konzentrieren können, ohne ideologischen Ballast und ohne Revolutionäre sein zu müssen.

Herzliche Grüsse

KARL ein KARL:
Peter K Frey
Michel Seigner
Alfred Zimmerlin

18/10/2010

MICHEL WINTSCH

Pour moi, dans cette histoire, il ne s'agit pas seulement de musique improvisée.

Ce qui dérange de nos jours, je crois, c'est l'inqualifiable, le non mesurable, l'innetiquetable, le subjectif, le débridé, le non-rentable.

Il y a des gens, là-bas, qui passent la plupart de leur temps dans des bureaux, à compulser des dossiers, avec un salaire bien confortable - sans même prendre la peine réellement d'étudier leur matière ( il suffit de lire l'article de M. Meyer pour s'en convaincre ) - qui sont sensé travailler pour la culture. Servir la culture.

Moi, j'aime ce mot culture. Et si quelqu'un, que se soit un individu ou une institution décide de s'occuper de culture, il ferait bien de se faire jardinier.
Avec l'humilité et la patience que cela suppose.
Qu'il arrose le jardin, qu'il prenne soin qu'il soit diversifié, qu'il y aie du terreau, des cycles, des jachères, de la cendre, de la pourriture même - sur laquelle d'ailleurs le plus souvent poussent les jolies roses. Une culture vivace, riche suppose une diversité, des coins d' ombre et de lumière.

Aujourd'hui, on veut de l'efficace, du rentable, de l'exportable, de l'identitaire ! (je ne crois pas qu'on décide de son identité, je pense qu'on ne peut que l'observer, l'assumer, et éventuellement… la cultiver )

Voyez là-dehors, allez marcher dans les montagnes avoisinantes, vous verrez ces zones de forêts, plantées de sapins de norvège , qui poussent vite, bien droit, et qui font de jolies planches ( juste assez solide pour un cercueil bon marché) et qui, il est vrai, rapporte gros au cultivateur - à cours terme.
Allez-y donc, et vous verrez que plus rien ne pousse dans ces sous-bois, plus de fougères, plus de mousse, plus d'animaux…des troncs bien droit avec leur tête bien dressée qui cherchent la lumière la-haut.
J'ai le sentiment qu'on en est là. On arrose ce qui rapporte, ce qui brille, avec tout les risques de la mono-culture: que la terre s'affaiblisse et meurt, à coup tuteur, à force de vouloir contrôler, de vouloir le succès et l'argent, et vite.

La musique improvisée (ce n'est pas la seule) représente sans doute une de ces zones incontrôlables, une zone de relief, de contradictions, de lenteur comme de fulgurances, d'errance parfois, mais une zone indispensable au terreau, à l'ensemble du jardin. Mais cela effraie fort nos bureaucrates, et je crains que l'ignorance en matière de jardinage élémentaire - j'ose espérer qu'il ne s'agit pas d'un obscurantisme délibéré - de nos chères instances politico-culturelles et des "journalistes" à leur solde, ne nous envoient tous droit dans le mur.

Michel Wintsch

11/10/2010

PATRICIA BOSSHARD

Mr Meyer,



Asseyez-vous un instant et

Réfléchissez à votre attitude, à vos pensées, à vos actes

Vous ne pouvez qu’admettre que vous êtes un menteur, ou un ignorant

Et pensez aux conséquences dûes à votre position, à votre pouvoir


La musique improvisée est morte ?



La mort

Le vieillissement

L’aigreur

La peur

L’enfermement

Le conformisme

Le formatage



Non, Monsieur,

On ne se défait pas si facilement d’un art vivant

Votre article fait réagir tant de musiciens

Car il touche à la liberté

Nous vivons dans une démocratie

Mais votre pensée incarne

La Suisse et son politiquement correct

L’ignorance envers ceux qui agissent en accord avec les lois du peuple



Oui, Monsieur,

La musique improvisée se fiche de votre pouvoir

Elle est partout et nous continuerons à jouer

Car elle est le reflet de

L’ouverture sur le monde

La recherche d’aujourd’hui

Elle est

Une ressource inouïe et exigeante

La voie vers la tolérance.


Patricia Bosshard

musicienne

JOHN WOLF BRENNAN

Die Schweiz als blühende Klanglandschaft

Nachruf auf einen leicht verfrühten Nekrolog

[Preambulum]
Die neue dissonance tritt auf mit dem Anspruch, international zu sein (wie ihr anglisierter Name), in zeitgemässer Form und will dabei weiterhin ihrem Credo treu bleiben: sich der kritischen Begleitung des Musikschaffens zu verschreiben, statt auf die Quote zu schielen. Man will sich Unabhängigkeit leisten und der Leserschaft etwas zutrauen. Statt verkaufen will man informieren, statt anpreisen hinterfragen, findet «DRS2aktuell»-Redaktorin Corinne Holtz. So weit, so gut: soi-disant,
soi-dissonant.
[Intro]
Die neuste Nummer der dissonance mit der ominösen, sauber rausgestanzten Nummer one-eleven hat mich ganz besonders gefreut: endlich wieder mal ein paar provokative Statements! Erst dürfen wir uns über Fred Frith als Improvisationslehrer (S.10), den heimlichen Anarchisten Alfred Zimmerlin (S.18) und die Kritik des neuen Triangulation-Albums "Whirligigs“ freuen (S. 80), dann erfahren wir auf Seite 4, dass die Improvisation hierzulande eigentlich schon lange tot ist. Vielleicht sind wir im falschen Film gelandet, alles (ist) ein fataler Irrtum, und wir haben gar nie gelebt? Ein Fall für Jack Sparrow und seine nekrophile Piraten-Crew?
[Vamp 1]
Der katalanische Filmemacher Luis Bunuel hat am Ende seiner Autobiographie „Mon dernier soupir“ den bescheidenen Wunsch geäussert, einmal pro Jahr sein Grab verlassen zu dürfen, zum nächsten Kiosk zu laufen, dort in den Zeitungen nachzulesen, was die Menschheit wieder für widerliche Dinge verbrochen hat, um dann dankbar wieder in die Gruft steigen zu können. Am Kiosk gabs diesmal auch unser Branchenblatt zu kaufen. Ran an die Lektüre, in masochistischen Ritualen und hartnäckiger Groove-Spurensuche sind wir ja extemporal und asynchron geübt.
[Thema]
Der Autor Thomas Meyer – der gleichzeitig als Pro Helvetia-Stiftungsrat über die Geschicke improvisierender MusikerInnen mitbefindet – belehrt uns also über seine Sicht der Schweizer Impro-Szene, und wohin er auch blickt, stellt er Zerfall, Dekadenz, zappaesken Modergeruch und Endzeitstimmung fest. Eine Zukunft für den moribunden Patienten ist übrigens im Untertitel "Zur Vergangenheit und Gegenwart einer flüchtigen Kunstform“ schon gar nicht mehr vorgesehen. Das Grab ist geschaufelt, bevor der Text beginnt.
[Retrograde]
Abgesehen davon, dass ein grosser Teil des Artikels sich so rückwärts gewandt liest wie wenn die letzten 30 Jahre nie passiert wären, seinem anachronistischen Horizont, dem nostalgischen Kulturpessimismus und der schmalspurigen Perspektive, gibt es einige fundamentale Missverständnisse, der wir Bunuel-Zombies doch noch etwas entgegnen möchten, bevor wir wieder ins Grab zurückkehren.
[Solo 1]
"Diese frei improvisierte Musik....wirkt an diesem 22.Juni fast etabliert. Das war sie früher mitnichten..." (über ein Konzert in der WIM Zürich). Denk-würdig war nicht nur dieser Anlass, sondern auch der Versuch des Autors, hier eine Zeitenwende zu postulieren, als ob früher ein "un-etabliertes Improvisieren“ geblüht hätte, während er heute das Establishment am Werk wähnt. Tatsache ist, dass es immer um Leben und Tod geht auf der Bühne, gleichgültig ob wir nach Noten, mit oder ohne Konzepte spielen, und etabliert hat sich in den letzten Jahrzehnten höchstens die Halbwertszeit bzw. die Haltbarkeit von Mitschnitten, nie die Musik selbst. Das interaktive Klanggeschehen an sich, ob improvisiert, komponiert oder komprovisiert, ist wie alles Klingende ein flüchtiges Gas, das sich jeglicher Verdinglichung entzieht.
[Riff 2]
"Die freie Improvisation ist eine Musik, die gleichsam überzeitlich ist, die ihr sofortiges Verfallsdatum zur kompositorischen Grundhaltung macht."
In der Tat ist die Zeit eine zentrale Dimension der der Musik – jeglicher Musik, auch der (nie zeit-)frei improvisierten. Aber über-zeitlich? An dieser Riff-Falle sind schon viel grössere Fregatten zerschellt... so verführerisch
Fluchtlinien mit transzendentem Vektor sein mögen, werden wir Irdischen doch zuverlässig von der Gravitationskraft des Endlichen eingeholt, und ein Stein bleibt auf dem anderen. Auch das “sofortige“ Verfallsdatum gehorcht im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit (und erst recht im globalen Download-Supermarkt) ganz anderen Gesetzen – wer könnte hier ein Verfallsdatum von aktueller Musik verlässlich prognostizieren wollen? Frei ist die improvisierte Musik genau insofern, als dies offen bleibt.
[Kollektivimpro 3]
Hätte beispielsweise Produzent Teo Macero aus den 12 Minuten Mehrspur-Aufnahmen von Miles Davis nicht ein ganzes Album herauskristallisiert, wäre "In a Silent Way" (1969) nie entstanden. Und hätte Tontechniker Andreas Brüll nicht geistesgegenwärtig den Aufnahmeknopf gedrückt, um Bruno Amstads vokalen Vokalausbruch einzufangen, hätte "Bizarre Bazaar“, das Titelstück auf “Whirligigs“ (2010), nie das Licht der digitalen Welt erblickt. Überzeitlich war das nicht, dafür ein skrupulöser Ausleseprozess, aus dem Christy Doran und ich dann zwei Wochen später aus dreieinhalb fünfviertel Stunden Musik herausdestillierten, die garantiert ohne Absprache, dafür mit einer garantiert ungarantierten Verfallszeit entstand.
[Solo 3]
“Es zeigt sich hier, dass die Entwicklung des Materials noch keineswegs an ein Ende gelangt ist.“
[Impulse 4]
Ja, wasdennsonst, bei allen hunderttausend heulenden Höllenhunden? Warum sollte “dem Material“ eine andere Halbwertszeit innewohnen als uns Sterblichen? Genauso wenig, wie wir nicht zweimal in den gleichen Fluss steigen können, bleibt das Material stehen, es entwickelt sich fortlaufend weiter, mit und ohne unser Zutun. Zu Musik wird das Material erst dann, wenn es wahrgenommen wird, und zwar, wie Wolfgang Rihm ausführte, von aufmerksam zugeneigten Hörern, sonst stirbt nämlich jeder Ton, kaum hat er das Instrument verlassen, vor den Augen des Publikums den Heldentod. Wir sind superprovisorische Untermieter, transitorische Verwender, Umsetzer, im besten Falle Erforscher, oft genug Wellenreiter und nicht selten Sturmopfer des Materials, das wir durch unsere Hände gleiten lassen, ohne es je festhalten oder gar verstehen zu können, und nie Besitzer. In raren Momenten schlägt der Blitz ein, und ein paar Kohlenstoffatome erscheinen in einem neuen molekularen Kontext.
[Vamp 2]
So what?
[Solo 4]
"Wer sich in diesem Gebiet theoretisch auslässt, muss den Ruf des Dogmatikers meiden lernen."
[Revamp 3]
Eine solch offene Haltung würde der Musikkritik ganz generell gut anstehen. Bei der freien Improvisation sollte sie ein konstitutives Element sein. André Thomkins hat dies in seinem hintersinnigen Palindrom auf den Punkt gebracht: “Dogma – I am God“
[Riff 5]
“Es gibt MusikerInnen, die sich immer noch weigern bzw. zieren, über ihre Musik zu sprechen“
[Impulse 6]
Aus diesem Schweigen eine allgemeine Lähmung herauszulesen, geht an der Sache vorbei - schliesslich gibt es auch stumme Architekten und Skulpteure, Chirurgen und Brückenbauer, ohne dass deshalb jemand gleich die Totenglocken läuten hört. Umso wichtiger sind die Stimmen, die sich aus der schweigenden Mehrheit erheben, und die gleiche dissonance-Nummer bringt ja – Frithseidank – gleich auf den nächsten Saiten ein eloquent leuchtendes Beispiel.
[Solo 7]
“Ein Nachdenken über Improvisation hat dennoch eingesetzt..." (es folgen einige zutode zitierten Beispiele der immergleichen Gewährsmänner)
[Kollektivimpro 5]
Immerhin traut uns dieses Diktum die Fähigkeit zum Denken zu, einer Tätigkeit, die doch sonst nur universitär betrieben werden kann, komplett mit Zwischenzeugnis und bolognakompatiblem Masterabschluss.
Das Grundproblem der akademischen Kreise ist, dass sie sich am liebsten selber spiegeln, und so fördern die internen Arbeitsgruppen oft nichts als Zirkelschlüsse und self-fulfilling prophecies auf inzüchtigem Hochglanzpapier. Warum wird der Geist der “gesellschaftlichen Relevanz“ immer automatisch an Hochschulen, Tagungen und Symposien vermutet? Wären grassroot-Initiativen wie die WIM, der Cave12, die Spirale, das Improvisorium, der Mullbau abhängig von diesem selbstreferenziellen Überbau, würden sie heute noch über Statuten, Stellenwert und gut dotierte Stabsstellen sinnieren, statt freiwillig freiwilde Freiräume zu öffnen.
[Solo 8]
“Was aber passiert, wenn das Wort in die Musik eindringt...?“
[Revamp 4]
Wieder so eine (unbeabsichtigt erotische?) Stelle, die bei den meisten aktuell agierenden MusikerInnen wohl nur Kopfschütteln hervorrufen wird. Spätestens seit Cathy Berberian, eher schon seit den Höhlengesängen unserer Urahnen wissen wir, dass die Stimme auch ein Instrument sein kann, während der Instrumentalist ein Leben lang darum ringt, eine STIMME zu werden. Hätte Thomas Meyer das pago libre-Programm «platzDADA!» mit der andernorts proklamierten Dogmafreiheit auf sich wirken lassen, hätte er den Unterschied zwischen “Begegnung“ und “Verschmelzung“ anders wahrnehmen können. Grenzgänge “auf dem Weg zum Nonsense“ sind beileibe keine Exklusivdomäne des Wortes. Und im übrigen hat eine überaus aktive Slam Poetry-Szene seit Jahren bewiesen, dass sehr wohl mit Worten improvisiert werden kann.
[Reprise 4]
“Die freie Improvisation hat ihr Metier bewältigt, den Aufbruch in unbekannte Gefilde hat sie hinter sich, das Wagnis ist, wenn es auch nicht verschwunden ist, so doch kalkulierbar geworden.“
Mit Verlaub, das ist verschwurbelter Nonsense, wie ihn die Dadaisten nie sinnfreier hingekriegt hätten. Weder kann dieses Metier je "bewältigt“ werden (es walten ganz andere, intersubjektive und Gewalten), noch kann ein Aufbruch in unbekannte Gefilde je hinter sich gebracht werden (dann wären sie nie wirklich un-bekannt gewesen), noch ist ein Wagnis je mess- oder gar kalkulierbar. Jede Kalkulation beruht auf festen Grössen. Der Fluch und Segen der freien Improvisation besteht eben gerade darin, dass jede Grösse variabel und jede Variable jederzeit entschwinden kann, um an einer anderen, unerwarteten Stelle wieder aufzutauchen. Das Wagnis kann nicht verschwinden, weil es gleichzeitig nie und schon immer da war. Um einen konZENtrischen Vergleich zu bemühen: nur der haarscharf daneben gezielte Pfeil trifft ins Schwarze. Das Wagnis gleicht eher einem Waag-nis, einem prekären Un/Gleichgewicht, einem equilibrio precario. Und wie wir spätestens seit der Finanzkrise wissen, sind Prognosen schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen.
[Solo 8]
“Ich glaube freilich, dass ihre Geschichte mittlerweile zumindest in der Schweiz an einen Endpunkt gelangt ist."
[Reprise 9]
Die gesicherten Erkenntnisse von heute sind die grossen Irrtümer von morgen, dass musste schon Francis Fukuyama lernen, als er 1992 nach dem Fall der Berliner Mauer und dem Zusammenbruch der Sowjetunion das “Ende der Geschichte“ ankündigte.
[Kontrapunkt]
Anderseits haben wir transitorischen Improvisatoren keinen zureichenden Grund, uns selber heiligzusprechen. Engstirnigkeit, Gartehäglidenken, Scheuklappen, Betriebsblindheit, Intoleranz und Futterneid kommen bei uns ebenso vor wie bei anderen Berufsgattungen, bei Managern so gut wie bei den Bauern. Und dada wir eher kulturell als agrikulturell tätig sind, haben wir keinen Anspruch auf Subventionen, schon gar keinen automatischen. Eine anständig-randständige Hangzulage pro Klein- (Solo) und Grossvieheinheit (Ensembles) täte zwar not und wäre schön für unser Heidiland – schliesslich sind wir Klanglandschaftsgärtner der etwas anderen, unbezahlten, vielleicht auch unbezahlbaren Art und gehören womöglich schon bald zum Unesco-Weltkulturerbe.
[Reprise 3]
Aber Ansprüche daraus abzuleiten, dass wir tun, was wir nicht lassen können, das ist uns – im Gegensatz zu unseren bäuerlichen Kollegen – gründlich ausgetrieben worden. Eine soziale Notwendigkeit besteht schlicht nicht. Oder ist die departementale Aufgabenverteilung gar so gedacht, dass sich die Bauern um den Humus kümmern und wir uns um den Posthumus?
[Bridge]
Dank der dissonance sind wir im Hades doch immerhin um einen dampfend dissonierenden Misthaufen reicher geworden. Schon bei Dante hats in der Hölle wesentlich mehr drive, power und action als im seligen Paradies, und Goethes Doktor Faust ist ein himmlischer Langeweiler im Vergleich zum bissig blitzgescheiten, aberwitzig fegefeurigen Mephisto.
[Outro]
Wir sind weder als Notvorrat noch im Schulkanon vorgesehen. Zum Existenzminimum einer Kulturgesellschaft gehören wir aber trotzdem, gerade weil wir keine Luxusgüter herstellen, sondern geistige Grundlagenforschung, und daraus gedeihend ab und zu auch ein paar vitale Grundnahrungsmittel, ebenso reich gespickt mit sogenannten Disso- wie mit Kon-Sonanzen. Die Schweiz als blühende Klanglandschaft – ein Nekrolog? Eher eine quicklebendige Utopie im Hier und Jetzt, gleichzeitig nowhere und gerade deswegen now and here.

John Wolf Brennan, Komprovisator,
Mitbegründer einiger Working Bands
(Pago Libre, Momentum, Triangulation)

10/10/2010

CORNELIA MÜLLER

Wenn etwas am Ende ist, dann ist es die Politik...

Das UNCOOL Festival in Poschiavo veranstaltet die Schweizer und internationale IMPROV MUSIC regelmässig und manchmal in Verknüpfung mit Poesie, Malerei, Tanz, Natur. Die Improvisierte Musik entwickelt sich wie jede andere Sprache spielerisch und mit unbegrenzter Kreativität. Der einzige Unterschied zur Komposition besteht darin, dass die Improvisierte Musik nicht notiert wird und demzufolge kaum reproduzierbar ist. Bezüglich Erfindungsreichtum, Klangerfahrung, Individualität und kultureller Zugehörigkeit sehe ich keinerlei Unterschied zu anderen Genres der Musik. Die Improvisierte Musik wird niemals schweigen und sich an allem bedienen, was ihr zu neuer klanglicher Expressivität verhilft.

Cornelia Müller
Künstlerische Leitung UNCOOL Festival Poschiavo

09/10/2010

FRANK HEIERLI

eine Musik nach der Musik
eine präzise Abtastung und Wahrnehmung des vorhandenen Raums zu unser aller Orientierung ( siehe auch CERN)
diejenigen erkennen und anerkennen und unterstützen, welche sich aufmachen, das Neue zu entdecken ohne es je zu finden (siehe auch CERN)
die freie Tat und die freie Musik ((in unseren Köpfen sowieso)) als Haltung zum kapitalen Lebensstil des Produkts
eine absichtslose, am Nullpunkt spielende Musik, illusionslos, direkt und ohne Namen
die nicht benutzte Musik-, der nicht instrumentalisierte Klang, der nicht verwendete Mensch
das nicht Gemachte, le non Faire, le NonFer
die gehörte, nicht gespielte Musik der Kinder (Bauarbeiter)
akzeptieren, dass die eigene Kunst sich selbst von ihrem Standpunkt entfernt in Nächstes
das entstandene Nichts, die Stille
den anfallenden Rest bemerken, ihn zum Protagonisten machen
das Veränderbare, das Provisorium, das Verschwinden, die gestellte Frage als Antrieb hochhalten
und abkratzen können auf der bezahlten Bühne
und somit die Musik den Raum des Statements betreten lassen (ggt. AblenkungUnterhaltungVerführung)


Bern, 8. Oktober
Frank Heierli
keine Funktion
Cello

COLETTE GRAND

Monsieur Meyer, vous vous poser en fossoyeur de la musique improvisée, ceci est grave et triste pour tous les musiciens qui la pratiquent, à commencer par ceux que vous nommez dans votre article pernicieux.

La musique est vie, comme l'eau, rien ne peut l'arrêter.

La musique est jeu, l'improvisation en est son expression la plus ludique.

La musique est "bruit qui pense" (Victor Hugo); composée spontanément ou fidèlement interprétée, elle est dialogue entre celui qui la fait et celui qui l'écoute.

Et personne, pas même vous Monsieur Meyer, ne peut briser cet échange en décidant de la fin de telle ou telle musique.

Colette Grand - musicienne aléatoire

07/10/2010

D'INCISE

C'est vous faire bien beaucoup d'honneur que tous ce remugle que votre article provoque. J'adjoindrai tout de même mon commentaire, ne serait-ce que pour souligner la solidarité et la force des liens qui unissent les improvisateurs, au sens très large, de ce bout de terre.

Dois-je dire que vous m'êtes parfaitement inconnue, comme la plupart de vos références, hormis celles de quelques musiciens, que je ne saurais qualifie de mort puisque les côtoient bien souvent et dont le travail me semble en constante évolution, et ouvert, et nourrit par le rencontre avec ceux de ma génération.

Il me semble bien audacieux, mais fortement journalistique de réduire un ensemble de pratique hétérogène sous une même appellation, comme si un outil ou un manière de faire pouvaient en soit définir inexorablement un résultat.

Nous ne somme p! as dogmatique, nous ne jouons pas une musique, mais toutes celles qui nous semble possible, jouissive, et portant en elle un esprit de liberté. il n'est besoin de dire à quel point cette notion est en souffrance dans notre société contemporaine. L'improvisation libre véhicule un esprit libertaire et non-hiérarchique. le non intérêt du public en tant que que masse sociale soumise à l'ordre générale de la société n'est évidement pas surprenant, tout comme la position du pouvoir étatique à l'égard de ces musique.
Un jour nous en jouons une, un jour une autre, nous inventons, nos lieux de concerts, caves, salons de thé, cinémas, théâtres, libraires, galeries, espaces privés, nos instruments, empruntant l'un à l'autre ses techniques, lui rajoutant des extensions, leurs confiant de nouveaux rôle! s, nos configurations, du solo à l'orchestre, des jeux, des exercices, des mises en danger, de la réduction ou de la dilatation.
La liberté et l'improvisation forme une attitude qu'adopte les membres d'un groupe, ce n'est donc pas un style ou une manière de sonner, mais à un état sociale primordiale à une création communes. La musique qui en ressort est une autre affaire, et je n'ai pas l'impression que le présent soit en manque d'innovations.

Pour parler d'ordinateur, puisque il s'agit de mon instrument premier, il ne présuppose en aucun cas un pré-enregistrement ou quoi que ce soit de pré-établit, pas plus que ne le ferait la tension d'une corde sur un instrument. Il brise les repères sonores culturels, il est à la fois immatériel et un potentiel de concrétisation sans fin. L'ordinateur a forcé les musiciens à jouer différemment, tous comme eux forcent sans cesse la remi! se en question de la pratique informatique.

Et enfin, parler de musique Suisse, quelle quelle soit, comme si nos trois carrés de choux et cinq vaches pouvaient s'autosuffir ? Une vision bien conservatrice que je laisse à ceux de l'autre bord. Nous faisons partie d'une scène sans limite, voyageuses, communicative, expansive, partageuse, altruiste, nous somme camarades de pensée et de pratique. Si les montagne renvoient le son du cor, elle ne sont qu'abstraites pour nous, nous dérivons bien au dessus. Notre oreille est le monde, et la mort, je vous la laisse, saluez-la de ma part, merci.

d'incise

THÜRING BRÄM

Ich glaube, da hat Thomas Meyer in ein Wespennest gestochen. Dank an ihn, dass er das getan hat. Die erstaunliche Resonanz seines Artikels ist für die Dissonance zu begrüssen.



Nach mehrmaligem Durchlesen finde ich aber nirgends ein Statement gegen die Freie Improvisation, auch wenn gewisse Förderagenturen das vielleicht so lesen möchten und die betroffenen Improvisatoren den Text (allzu) persönlich nehmen. Dennoch hier auch ein paar Gedanken eines älteren Tiers, das von 1975 bis 1983 das angesprochene Fach in jährlichen Kursen in einer Grundkurslehrerausbildung unterrichtet hat und mit einer Gruppe von Jugendlichen an der Musikschule Basel (der Gruppe Archeopterix, aus der heute einige bestallte professionelle Musiker hervorgegangen sind) ausgeübt hat. Die Hauptgründe, dieses Fach ins Curriculum aufzunehmen,waren damals pädagogischer Natur. «Wie kann das Erlernen des operativen musikalischen Denkens selbstverständlich in jeden Musikunterricht integriert werden?», formulierte ich damals politisch die Finanzierung eines solchen Faches. Ich erörterte auch, warum für Studierende in der Ausbildung die Erfahrung in Freier Improvisation vorrangig ist zur Theoriebildung, dass diese erst einsetzen kann, wenn schon praktische Erfahrungen vorhanden sind.

Nach dem bahnbrechenden Buch von Umberto Eco (Das Offene Kunstwerk, 1968) war es klar, dass diese Art des Musizierens in ein neues, befreiteres Weltbild unserer westlichen Gesellschaft Eingang finden müsste.
Es sind also nicht nur primär musikalische Gründe (Kommt die freie Improvisation aus dem Free Jazz oder aus der Avantgarde, aus John Cages Philosophie oder woher auch immer?), sondern insbesondere pädagogische, politische und psychologische, die damals massgebend waren für diese «freie» Art des Musizierens.



Pädagogisch: Wie können mit technisch beschränkten Fähigkeiten akustische Phänomene produziert werden, die gemeinsam im Zusammenspiel mit anderen Menschen zu musikalischen Erfahrungen führen? Durch das Wegnehmen des Druckes des Keine-Fehler-Machen-Dürfens wird die eigene Entscheidung gefördert.



Politisch/soziologisch: Was sind die Vorbedingungen, dass ich – auch wenn ich kein Instrument beherrsche – mit Klängen aktiv und nicht nur konsumierend dabei bin? (Dazu z.B. Cornelius Cardew’s Nature Study Notes, Improvisation Rites 1969 für sein Scratch Orchestra: Beispiel: «For any number of musicians playing melody instruments plus any number of non-musicians playing anything»). D.h. Improvisation wird zu einer Haltung, die für alle zugänglich ist. Durch den Verzicht auf eine überkommene Ästhetik wird der Kanon der bestehenden in Frage gestellt, resp. zum Dialog aufgefordert.



Psychologisch: Es wurde damals bald klar, dass wenn man «frei» improvisiert ohne jegliche Vorsichtsmassnahmen, dass insbesondere bei Amateuren die Grenze der Kontrolle soweit überschritten werden würde, dass die Gruppe in psychologisch nicht mehr kontrollierbare Gefilde ausscherte: Ich erinnere mich an eine Improvisation in einem Kirchenzentrum, als eine Teilnehmerin plötzlich wild mit einem Stuhl auf den Altar einschlug.



Damals war das alles relativ «neu» und «aufregend» (sei es, dass man als professioneller Komponist gerade aus einer Ausbildung kam, die exklusiv auf serieller Technik beruhte oder als Jugendlicher, der keine Tonleitern spielen wollte, sich chaotisch auf den Tasten bewegen durfte, oder als Erwachsener, der nie ein Instrument gelernt hatte, aber nun endlich bei einer Gruppe dabeisein konnte). Der UE-Verlag hatte in seiner Roten Reihe Pionierarbeit mit seinen Materialien geleistet, die Musik-Akademie Basel gab ab 1974 eine Reihe «Information und Versuche» heraus (deren wohl einschlägigste Publikation die Nr.XI Regeln zur Improvisation von Katrin Frei und Susi Würmli war, 1982), John Paynter und Peter Aston gingen in Sound and Silence, 1970, dem Phänomen grundlegend nach.



Wie ich es erlebte, war dieser erste Aufbruch dann zu Ende, als das Fach endlich in mehreren Hochschulen angeboten wurde und bei mir persönlich und subjektiv war es der Augenblick, als ich selbst aufhörte, das Fach zu unterrichten: Jedes Jahr war da eine neue Gruppe und immer nach einem Jahr, wenn endlich eine musikalische Weiterentwicklung hätte geschehen können, ging man auseinander. Viele haben aber musikalisch sich so weiter entwickelt, dass sie zu höchsten musikalischen Ausdrucksformen gelangten. Als ich 1987 bei der Begrüssung meines ersten Jahrganges von Studierenden als Leiter des Konservatoriums Luzern die ca 30 Neuen bat, einmal einfach draufloszuspielen, gab es einen ziemlichen Klamauk. Nur ein kleines Grüppchen fand das sinnvoll und konnte sich in diesem Tumult schon musikalisch bewegen. Fünfzehn Jahre später gab es kaum mehr jemand, der nicht willig und mit einigen Vorkenntnissen mitgemacht hätte.



Die Luzerner Tagungen für Freie Improvisation, die Walter Fähndrich, Peter K Frey und Christoph Baumann mit Hilfe des Konservatoriums Luzern Ende der achtzigerJahre ins Leben rief, war sozusagen eine erste theoretische Aufarbeitung dieser Entwicklung. Die Reihe «Improvisation» des Amadeus-Verlages mit den Berichten dieser Tagungen ging weit über die nur musikalischen Aspekte des Improvisierens hinaus. Sie entzogen sich dem Thema nicht, wie Meyer suggeriert, sondern sie sahen das Phänomen in einem sehr viel grösseren anthropologischen Rahmen. Als Beispiel kann der Beitrag des Linguisten François Grosjean dienen, der Parallelen zum «Spielen» innerhalb des enzyklopädischen Wissens eines Sprechenden zog oder derjenige Edward Halls, der anthropologische Verhaltensweisen zwischen unterschiedlichen Kulturen beschrieb: Inwiefern waren das «freie Improvisationen» innerhalb der menschlichen Gesellschaft in Analogie zur musikalischen Improvisation?



Wir haben erlebt, dass eine Musizierart sich quasi als Gattung etabliert hat. So wie sich damals der Jazz in seinen frühen Jahren aufregend und neu (und zum Teil auch gesellschaftspolitisch motiviert) etablierte, aber eben auch ändern und entwickeln musste. Was Thomas Meyer meiner Meinung nach anspricht, ist diese Schwelle, die erreicht ist. Wenn man frei improvisieren will, wie wir das in den letzten vierzig Jahren gemacht haben, müssen wir heute ins Raffinement – in die wirklich hohe Kunst – ausweichen (was einige durchaus können) oder wir müssen in neue Richtungen gehen. Ein gewisses «déjà-entendu» ist bei diesen Bemühungen durchaus erkennbar. Nicht beim Einzelnen, aber in der ästhetischen oder gegenästhetischen Haltung. Wohin das geht, ist ja gerade das Aufregende. Aber es gibt heute ganz neue Gebiete, z.B. an den Schnittstellen von virtueller und körperlicher Improvisation, die damals im Analogzeitalter der Elektronik noch nicht oder in anderer Art zugänglich waren. Und diese Möglichkeiten werden sich rückkoppeln auf unsere Spielweisen ohne Elektronik.



Aber eines ist ganz klar: Es gibt keinen Grund, die Freie Improvisation als eine Ausdruckform der zeitgenössischen Musik nicht zu unterstützen. Sie ist ganz einfach erwachsen geworden, aber deswegen kann sie sich noch lange nicht selber finanzieren.



Thüring Bräm

DRAGOS TARA

Impressions post mortem
Réactions à l'article de Thomas Meyer dans Dissonance
la musique improvisée est-elle morte?

Ces quelques lignes viennent apporter une note plus personnelle aux articles plus fournis publiés ici et là auxquels j'ai pu m'associer. J'y renvoie aussi pour les éternelles polémiques que le terme musique improvisée peut soulever.

Quelle que soit la frustration à lire cet article, plus ignorant que méchant à vrai dire, mais néanmoins nocif,je me dis que le problème n'est pas tant ce monsieur Meyer mais plutôt certaine façon de penser la vie musicale suisse. C'est donc dans ce sens (la vie musicale suisse dans un sens plus large) que j'aimerais ajouter quelques mots au flot déjà déclenché maladroitement par l'article de Dissonance.

Torpeur au pays sans fièvre

Ce qui frappe tout d'abord et qui a maintenant maintes fois été relevé c'est que les jeunes générations sont absentes de toute réflexion dans cet article. L'immobilisme qui se dessine alors témoigne de la phénoménale inertie d'un pays timide, gêné, qui a besoin de d'avancer en sécurité. Il va de soi que d'accorder de l'attention à des jeunes artistes suisses avant que ne l'ait fait Paris ou Berlin signifierait un saut dans le vide de la presse spécialisée suisse.

Il faut tout d'abord se demander qui serait capable de juger des pratiques contemporaines dans les structures de relais : presse écrite, radiophonique, télévisée (on ose à peine citer ce média qui vit carrément dans un autre pays). La Suisse fait frémir en comparaison de ses voisins français et allemands quant il s'agit de dépasser les références classiques et académiques. Quelques îlots ici et là pour raconter les pratiques en train de s'inventer., mais la presse spécialisée est sporadique et souvent académique. Partout ailleurs, dans les maigres encarts culturels des quotidiens, l'autocensure est de rigueur, le public doit être rassuré.

Les musiques et pratiques artistiques les plus récentes, souvent inclassables, et dans lesquelles la musique improvisée s'intègre, de même que de nouvelles approches de la composition, mais aussi du sound art, de la performance, etc… constituent le défi que toute culture vivante jette aux classifications muséifiantes. Mais il est rare de voir ce défi relever dans nos contrées.

Si ce pays paraît petit, il faut bien dire que c'est surtout en matière d'ambition artistique, culturelle. S'il en va tout autrement pour la finance, l'industrie pharmaceutique ou la vente d'armes (je ne m'égarerai pas plus loin), les acteurs culturels sont confronté au rempart d'une presse érigée gardiens d'un contrat social figé avec un peuple supposé inapte aux innovations.

La structure fédérale de la Suisse vient encore ajouter à ce sentiment de vivre à l'étroit, dans un pays qui voit souvent s'exporter ses artistes. Il est d'ailleurs piquant de noter l'écho hors frontière dont bénéficient la plupart des artistes suisses ignorés par l'article, leurs innombrables connexions européennes (et parfois au-delà), au vu de ce manque de reconnaissance en Suisse.

La culture suisse et sa grande absente: la Suisse

La particularité la plus évidente de la Suisse est probablement en effet ce système fédéral. Il signifie tout d'abord l'absence de véritable ligne commune.
Quelle est la politique fédérale en matière de culture ?

Comme je le disais plus haut, ce billet d'humeur ne vise pas spécifiquement Thomas Meyer, mais il faut bien dire qu'il est significatif que quelqu'un qui pense comme lui soit affilié à Pro Helvetia.

En dépit d'une ligne claire commune ou d'un effort commun de rééquilibrer les régions, le fédéralisme se borne à renvoyer la responsabilité aux cantons et aux communes. Il n'est plus la peine de rappeler les difficultés auxquelles sont confrontés les projets trans-cantonaux ne parvenant pas à remplir les critères changeants et flous de Pro Helvetia.

C'est bien l'identité de ce pays en tant que tout qui pose problème, A défaut d'une initiative commune, les régions minoritaires, (francophones par exemple pour ne citer que ce que je connais le mieux), paye souvent le prix de l'absence de reconnaissance (pour ne pas dire plus) de leur travail par une Suisse plus institutionnelle.

Des réseaux oui, mais des voix ?

Je ne voudrais pas que ces lignes fassent croire que je pense que la vie culturelle ne dépend que des structures politiques et économiques. C'est simplement que cet article est l'occasion de mettre en relief le manque de relais et de reconnaissance auxquels sont confrontés les acteurs culturels ici.
Les artistes cités dans l'article de Dissonance en savent quelque chose, pour s'être battus pendant des décennies avant de se voir octroyer de la reconnaissance.

Les pratiques artistiques sont parties du tissu social et interrogent l'ancrage des artistes. dans le monde qui les entoure. Et de ce côté ce sens les artistes suisses sont souvent tragiquement…suisses.

Je désigne par là cette peur de monter au créneau, de faire du bruit après 22h, de la polémique, de revendiquer son statut, voire de revendiquer tout court.

Il est vrai que la période que nous vivons est peu propice aux manifestes et dogmes. Je ne m'en inquiète pas vraiment et me sens tout à fait en phase avec cette structure en étoile de mer, des nombreux réseaux qui composent ce pays ainsi que toute la scène européenne. Nul besoin de réunir tout le monde sous une seule bannière.

Ce qui m'inquiète davantage c'est qu'en Suisse il est très rare de voir les musiciens dirent ce qu'ils disent ces jours ci, ainsi que d'être prêts à mettre sur papier leur idées, de se regrouper pour rappeler que, par exemple, la musique improvisée suisse (et ses ramifications vers d'autres musiques, disciplines et pays) est intéressante, stimulante et importante pour la vie en Suisse. Si je tiens à y prendre part, c'est que je pense qu'elle constitue la frange la plus vivifiante de la pratique musicale de ce pays.

Pas de conclusion, mais pour l'avenir: Merci Monsieur Meyer !

Comme je viens de le dire les initiatives et prises de paroles de ces derniers jours sont rares et il faut donc user d'un des rares tremplins qui nous sont offerts pour être entendus.


Dragos Tara,
musicien

BEATRICE GRAF

Cher Monsieur Meyer,

La musique improvisée ne s'improvise pas, ça on le sait.
Si le concert à la wim était exceptionnel c'est parce tous sont des musiciens exceptionnels.
La Suisse ne se limite heureusement pas à ce bel endroit.
Partout - il suffit de sortir de sa ville et sa génération- vous trouverez des improvisateurs de qualité, de tout âge et de tous horizons musicaux...

Quand les stars mondiales du théâtre (le Collectif belge TG Stan ) ou de la danse (le chorégraphe belge Alain Plattel) parlent de l'improvisation comme de leur mode de travail actuel et du rapport privilégié qu'il entretiennent avec la musique improvisée , il serait temps de rendre à César ce qui lui appartient.

Non l'improvisation n'est pas morte: c'est même tout le contraire.
L'improvisation est le symbole même d'une activité artistique en mouvement et en vie.

Béatrice Graf artiste-musicienne.

WALTER FAEHNDRICH

Lieber Thomas

Zuerst möchte ich Dir danken dafür, was Du seit Jahren für uns Improvisatoren und für die Improvisationsszene im allgemeinen Gutes und Nützliches getan hast. Du hast Dich immer wieder für uns eingesetzt und in verschiedenen Medien der Improvisation ein Forum gegeben. Deine grossen Verdienste in dieser Hinsicht waren und sind sehr wertvoll und absolut unbestritten.

Mit Deinem Artikel in Dissonanz hast Du Dich nun aber so weit aus dem Fenster gelehnt, dass Du abgestürzt bist. Der Artikel ist leider dermassen voll von faktischen Fehlern, fundamentalen Missverständnissen und Informationslücken, dass ich eigentlich nicht darauf eingehen wollte.
Nachdem ich nun aber auch noch Deine Replik auf die Reaktionen von meinen Improvisationskollegen gelesen habe, und meine Verärgerung dadurch eher noch stieg, kann ich jedoch nicht anders, als, schweren Herzens, auch zur Feder zu greifen, um ganz kurz zwei Dinge klarzustellen:

1. Der improvisierten Musik geht es blendend. Sie ist durch und durch gesund, vital, strotzt vor Kraft und ist an allen Ecken und Enden in Bewegung. Es ist eine Freude, zu sehen, wie das Improvisieren immer mehr an Terrain gewinnt und sich zunehmend und unüberhörbar in Szene setzt. Diese erfrischende und gleichzeitig tiefe Einsichten in die fundamentalen Prozesse des Musik-Entstehens ermöglichende Musizierform wird auf breiter Ebene immer mehr geschätzt und ernsthaft gepflegt.
Das gilt übrigens auch für deren Vermittlung an den Hochschulen (an der Musikhochschule Basel gibt es seit 2003 sogar ein Masterstudium mit dem Studien-Hauptfach Freie Improvisation) und es gilt auch für die Reflexion über das Improvisieren (im Amadeus-Verlag sind zwischen 1992 und 2007 sechs Bände (Improvisation I - VI) mit gesamthaft über 70 Beiträgen verschiedener Autoren zu diesem Thema erschienen).

2. Der Artikel in Dissonanz sagt zwar kaum Relevantes aus über die Situation der Improvisation, sehr viel jedoch über den Zustand, in dem sich die Berichterstattung darüber befindet. Leider ist er typisch für die Art und Weise, wie diese sich der Schubladisierung entziehende Musizierweise von aussen wahrgenommen wird und für das unzulängliche Niveau, auf dem meist darüber berichtet wird. In Anbetracht dessen müssen wir froh sein darüber, dass die Arbeit von uns Musikern mit den ahnungslosen Äusserungen von Aussenstehenden nichts zu tun hat.

Liebe Mitmusiker, lasst uns weiter musizieren und von innen über unsere Arbeit reflektieren wie bisher. Lassen wir uns von missglückten journalistischen Statements nicht verunsichern und halten wir uns an das berühmte Motto:
Die Berichterstattung über das Improvisieren hat für die praktischen Musiker meist die gleiche Bedeutung wie eine ornitologische Abhandlung für das Liebesleben der Vögel.


Mit trotzdem herzlichen Grüssen,

Dein Walter Fähndrich

Brissago, 6. Oktober 2010


P.S. Was für ein Volltrottel hat Dir eigentlich diesen Titel aufgedrängt?

JAN SCHLEGEL

Lieber Thomas Meyer,
Fragen aufwerfen und zum Widerspruch aufrufen - ja gerne.

Die Reaktionen belegen, dass die der Improvisation
Geneigten durchaus kein arroganter Untergrundzirkel sind.
Eine verdammt lebhafte und vielfältige Nische, die sich auch inhaltlich zu artikulieren weiss.

Du sprichst von Vermittlungsarbeit. Das wäre toll.
Zum Beispiel MusikjournalistInnen, die mehr als eine kurze Bestenliste
von sich geben oder gestrige Grabgesänge heraufbeschwören.
Eine kleine Nische die um jede Zeile kämpft und äusserst selten überhaupt noch Raum
bekommt, um über Inhalte zu schreiben.
Besorgniserregend!
Ist es dann klug bei viel Schreibraum die Sparwütigen zu füttern?
Braucht es eine " Befreiung" wie "postfrei -improvisierte Musik"?
Wer braucht das?


Die Improvisierenden, verbliebenen und dazugekommenen VeranstalterInnen , Stiftungen und ZuhörerInnen sorgen glücklicherweise mehr denn je für eine lebendige, qualitativ hochstehende Szene. Trotz eines Umfelds, dass sich zunehmend anmasst Kunst und Kultur bloss nach marktwirtschaftlichen Kriterien zu beurteilen.
Die Freie Improvisation wird immer in einer Nische sein. Nicht , weil die MusikerInnen sich am wohlsten in einem aussterbenden Indianerstamm fühlen, sondern sie eine Art Kommunikation, Haltung pflegen, die würde sie auch in Politik und Wirtschaft einfliessen, es anders zu- und hergehen würde auf diesem Planet.


lieber gruss jan schlegel

ERIC GAUDIBERT

Cher Thomas Meyer,

Votre papier sur l’improvisation fait du bruit et, comme vous souhaitez, provoque la contradiction.
Votre texte ne met pas en doute l’existence de l’improvisation en elle-même : il définit de manière très complète tous les aspects, ainsi que l’histoire de la pratique de l’improvisation.
Cependant le fait d’annoncer la fin de l’improvisation libre, en Suisse, c’est se donner un peu légèrement la posture du juge ou …du prophète (?).
Les réactions multiples générées par votre texte montrent que le sujet est sensible. Tant mieux si cela suscite débat et réflexion, mais je crois que les improvisateurs et les musiciens (en général) n’ont jamais cessé de « penser » leur art. Ce qu’ils désirent aujourd’hui plus que jamais, c’est exister pleinement sur les scènes d’ici et d’ailleurs.

Bien à vous
Eric Gaudibert

06/10/2010

OMRI ZIEGELE

Zu fragen wäre erstmal, wie viel Kompetenz einer braucht, um solch grosse Frage zu stellen. Die Frage, die jener auf dem Fuss folgt, wäre diejenige, ob diese grosse Frage sich nicht längst selbst erledigt hat, selbst tot ist, oder wievielmal muss man eigentlich den Jazz für tot erklären, den RocknRoll, die Kunst an sich, wievielmal muss man mit Pathos in der Brust ausrufen, dass dieses oder jenes nicht mehr lebendig ist, keine Substanz mehr hat, ausgelutscht, zu Ende geschrieben, -geblasen ganz und gar von nichtiger Bedeutung? Bird lives! Wer so totalitär fragt, setzt sich selbst dem Verdacht aus, dass es um seine Vitalität, seine vitale Teilnahme am Geschehen um sich herum nicht mehr zum besten bestellt ist; wer so grossspurig fragt, muss gewahren, dass der Verdacht, den er ausspricht, sich auf ihn selber richtet...

Natürlich darf Thomas Meyer fragen; denn gute Fragen sind gemeinhin immer Bereicherung der Kultur. Nur wer schlechte Fragen stellt oder falsche, muss gar nicht auf Antwort warten. Fragen nach dem Totsein dieses oder jenes Stiles sind obsolet, vorgestrig und langweilig. Musik, Kunst, Ausdruck ist dort lebendig, wo lebendige Menschen sich auseinandersetzen mit Ihrer Zeit, Ihrem Leben und Ihrer Kunst. Wer ein Leben lang nach Antworten auf schwierige Fragen sucht, bleibt lebendig und als Künstler aussagekräftig. Ich frage deshalb nicht, spielt der oder die frei, macht der Bebop, ist sie Impressionistin, ich frage, wie stark ist die Relevanz seiner Aussage für meine Zeit und darüber hinaus für alle Ewigkeit (Amen). Long live RocknRoll! Und da kann einer (oder eine) daherkommen und sich sein Rüstzeug geholt haben, wo immer er will; da wo es keine massgebenden Stile mehr gibt, keine einheitliche Vorhut mehr(einst kämpferisch Avantgarde genannt), lebt die Kunst in den einzelnen Zusammenhängen; in den Zusammenschlüssen von Besessenen, glücklichen Fügungen von Momenten und Überlappungen von Disparatem, einst Unvereinbarem; keine Kunstart kann sich für die Ewigkeit selber alimentieren, doch immer wieder kommen Junge, Neue, mit naturgemäss denselben Fragen wie die Alten, um dann den Antworten, die es schon gibt, eine neue Färbung beizumischen, einen neuen Glanz. Long live Satchmo. Mehr kann freie Musik nicht, Rocknroll nicht, aber auch nicht die Literatur oder die Oper. Wir leben in einer Zeit, in der alle Experimente gemacht wurden --- machen wir sie!!

***

Johann Sebastian lives! Etwas anderes beunruhigt mich weit mehr als Thomas Meyers Artikel: Ein Gespenst geht um in Europa, seit den 60er Jahren, damals hörte es noch auf den Namen FREE JAZZ. Wenn es heute nur diesen (vergleichsweise harmlosen) Artikel braucht, um die Stimmen zu mobilisieren, die ressentimentgeladen und als hätten sie schon lange auf diesen günstigen Moment gewartet, rufen: Nieder mit der Freien Musik, dann gemahnt das mich an einen Kleinmutgeist, den ich in diesem Lande längst überwunden glaubte. Wenn Institutionen, die die Künste fördern, jetzt Rückzüge machen und Personen, die in der Öffentlichkeit schreiben, diese Art (welche?) von Musik niederkläffen, dann beschämt und bestürzt mich das.
Denn (Elvis lives!): Improvisation ist der Anfang und das Ende jeder Musik; wer hat schon komponiert, ohne auszuprobieren und herumzutüfteln, wer hat schon wahrhaftig gespielt, ohne diese Lust zu kennen, die einem der offene Raum zwischen zwei Tönen biegsam gewährt, seien diese notiert oder vom Winde herbeigebracht; und seien die Noten auch nur 1/32tel voneinander entfernt?! --- Es lebe Albert Ayler!

***

I always wanted to play what’s inside of me and what came across the air, whether you may give it a name or not.

Omri Ziegele, im Oktober 2010

05/10/2010

MIRIAM STURZENEGGER

Zum Artikel „Ist die freie Improvisation am Ende?“ von Thomas Meyer und zu den zahlreichen Reaktionen von frei improvisierenden MusikerInnen


Als bildende Künstlerin, die allerdings einen engen Kontakt pflegt mit einer Vielzahl von freien ImprovisatorInnen, habe ich durch die heftigen Diskussionen unter befreundeten MusikerInnen von Thomas Meyers Artikel und dessen politischen Konsequenzen erfahren und zuerst die Reaktionen gesehen, bevor ich überhaupt den Artikel selbst gelesen hatte. Das holte ich dann nach und stellte, nachdem ich anfangs schon sehr kritisch war, fest, dass der Artikel zwar Gefährliches ausgelöst hat, als solcher aber sehr interessante und relevante Überlegungen anstellt, die vielleicht nicht eindeutig genug dargelegt sind.

Erfreut bin ich über die zahlreichen Antworten seitens der MusikerInnen, die teilweise sehr fundiert argumentieren und von einem engagierten Selbstbewusstsein zeugen. Selber habe ich beim Lesen des Artikels über einen Aspekt nachgedacht, der verständlich machen würde, was Thomas Meyer eigentlich meint, wenn er von einem Endpunkt spricht. Dieser Aspekt ist vom Autor leider nicht explizit genug formuliert, was wohl zu Missverständnissen geführt hat und angesichts der politischen Verstrickungen gefährlich ist.

Vorweg: Dass dieser Artikel eines freien Kritikers von Seiten der Kulturpolitik, im Speziellen gewisser Förderinstanzen, auf den Satz reduziert wird, die freie Improvisation sei am Ende (im Sinne von: habe nichts mehr zu sagen) und in der Folge zur Rechtfertigung für negative Entscheide auf Beitragsgesuche herangezogen wird, ist inakzeptabel. (Ebenso tragisch ist, dass in den entscheidungstragenden Positionen gewisser Förderinstanzen Personen sitzen, die sich mit der Materie, über die sie zu entscheiden haben, überhaupt nicht auskennen, so dass sie sich in solch peinlicher Weise auf einen Kritiker beziehen müssen.)

Sehr problematisch ist dabei zweitens, dass der Autor selbst als Kommissionsmitglied mit der betreffenden Förderinstitution verknüpft ist, was einem Bruch mit dem Prinzip der Gewaltentrennung gleichkommt. Allerdings hoffe ich, dass sich Herr Meyer hier nicht durch dieses Mandat beeinflussen liess und bin überzeugt, dass er den Artikel aus eigener Motivation verfasst hat.

Zudem muss ich aber auch annehmen, dass sich der Autor nicht bewusst gewesen ist, wie der Artikel in der Kulturpolitik rezipiert werden würde, dass seine Worte derart instrumentalisiert werden würden. Dass der Autor mit der Aussage, die freie Improvisation sei am Ende, diese Szene, die er jahrelang als Kritiker begleitet hat, von heute auf morgen totsagen will, kann ich mir schlicht nicht vorstellen.

Es bleibt deshalb die Frage: Was wollte der Autor mit diesem Artikel bewirken? Und weshalb hat so Wichtiges ausser Acht gelassen: nämlich die rege Aktivität einer vielseitigen Szene zu erwähnen?

Ich gehe nicht von bösen Absichten aus und denke auch nicht, dass Meyer auf diese Weise die MusikerInnen anspornen wollte. Der Eindruck, den die Lektüre bei mir hinterliess, ist vielmehr der, dass Meyer als Kritiker sich selber die Frage stellt, wie künftig angemessen und differenziert, kritisch und anspruchsvoll über diese Musik zu schreiben und zu sprechen sei. Dass er sich fragt, wo die theoretische Auseinandersetzung steht in Bezug zur Praxis, oder was das heute ist, die freie Improvisation. Ich stelle die Vermutung in den Raum, dass dieser Artikel nicht das Ende einer Musikpraxis meinte, sondern die Notwendigkeit von neuer Reflexion, ausgehend von den jungen ImprovisatorInnen.

Dass dieser Autor als einer der wenigen, die sich hierzulande aktiv und kontinuierlich in der Kulturpresse zur freien Improvisation äussern, eine kritische und vielstimmige Diskussion vermisst, kann ich gut nachvollziehen. Ich denke, dass ein Problem der Improvisation – und auch das Problem der Rezeptionsgeschichte von Meyers Artikel – in der problematischen Begrifflichkeit liegt. Der Diskurs zur freien Improvisation wird tatsächlich, besonders unter MusikerInnen jüngerer Generationen, kaum geführt, im Vergleich etwa zur stark gewichteten Reflexion in der bildenden Kunst. Zwar wird nach Konzerten, vor allem in kleinen Konzertlokalen wie dem von MusikerInnen geführten Mullbau in Luzern, unter den auftretenden MusikerInnen gemeinsam mit BerufskollegInnen und aussenstehenden Personen aus dem Publikum sehr intensiv und auch heftig, aber offen und ohne Dünkel über das Gehörte und darüber hinaus diskutiert. Doch diese Gespräche werden nicht bis ins Feld der Theorie getragen, bzw. die jüngeren MusikerInnen diskutieren unter sich, treten aber nicht als Sprechende oder Schreibende nach aussen. Dem mögen schlechte Erfahrungen mit Theoretikern zugrunde liegen, mangelnde Übung im verbalen Formulieren von Erfahrungen und Intentionen oder schlicht Desinteresse an der Sprache. Jedenfalls scheint eine Theoriebildung aus der Praxis heraus, eine nach aussen getragene Reflexion der Praxis durch die MusikerInnen selbst und damit die aktive Beteiligung an der Diskursbildung tatsächlich weitgehend zu fehlen.

Das ist die eine Seite, auf der anderen stehen die Theoretiker, Kritiker, unter denen die Auseinandersetzung mit Improvisation ebenfalls wenig öffentlich stattfindet – möglicherweise gerade deshalb, weil ein Verständnis dafür eben sehr viel Teilnahme durch Hören verlangt und das Sprechen darüber nicht möglich ist, indem man sich derselben Sprache bedient, in der man über kompositorische Prinzipien spricht. Vielmehr müsste die Sprache für das Sprechen über diese Musik erweitert werden, woran auch die MusikerInnen beteiligt sein müssen. Es sind ja die Begriffe, die unsere Vorstellungen prägen und auch begrenzen, die irgendwann zu eng sind oder zu belastet, die dann durch andere ersetzt oder aber einer Neudefinition/Erweiterung unterzogen werden müssen.

Da liegt meines Erachtens ein Problem dieses Artikels und der Diskussion, die dazu entstanden ist. Der Autor selbst differenziert leider nicht zwischen den verschiedenen Ebenen, auf denen der Begriff freie Improvisation gelesen werden kann. Die antwortenden MusikerInnen haben zum Teil sehr differenziert und anschaulich diese Bedeutungsebenen herausgezeichnet. Sich der Unterschiede in der Diskussion bewusst zu sein, ist wichtig für die Schlussfolgerungen, die LeserInnen aus dem Artikel ziehen, und eben auch für die politischen Konsequenzen.

Ich möchte im Folgenden kurz die im Artikel anklingenden Ebenen auseinanderhalten.

Zum Einen wird auf die historische freie Improvisation Bezug genommen, die damals als eine Bewegung entstanden ist und grossen Einfluss auf die Entwicklung der Musik hatte. Wie auch in der bildenden Kunst war dies eine Zeit, in der die Thematisierung der Grenzen ein wesentliches Anliegen der KünstlerInnen war, es galt, diese Grenzen zu erweitern, verschieben, aufzulösen. Damit rührte man an noch existierenden Tabus, man leistete unweigerlich Widerstand gegen die bürgerlichen Normen im Kulturverständnis, gegen den akademischen Kanon, gegen konservative ästhetische Vorstellungen. Freie Improvisation zu praktizieren oder Aktionskunst zu machen war damals eine politische Handlung, automatisch, es war provozierend und existentiell, denn es ging darum, die Freiheit der Kunst gegenüber der Gesellschaft durchzusetzen und sich von der Vergangenheit zu emanzipieren. Freie Improvisation hiess, gegen den bürgerlichen Geschmack zu verstossen, damit auf Ablehnung zu stossen, als schlechter Musiker verschrien zu sein, kämpfen zu müssen. Freie Improvisation war damals eine Ideologie, für die man alles gab. Dies ist die Dringlichkeit, von der im Artikel gesprochen wurde, die Revolution, die vorbei sei.

Als solche, als ideologische Revolution, hat diese sicher stattgefunden, wie erwähnt wird. Wir wissen, dass wir heute nicht mehr provozieren können mit einem Konzert, das auf der ästhetischen Ebene Grenzen auslotet. (Tabus sind heute anderswo, etwa jenseits der political correctness.) Auch ist Provokation heute nicht die Triebfeder der freien Improvisation. Es gibt auch keinen Grund dazu, die gesellschaftliche Repression ist nicht mehr so stark wie damals. Die freie Improvisation als Ideologie, wie sie damals gelebt wurde, die ist vorbei.

Aber die freie Improvisation ist weit mehr als nur diese Ideologie. Da wurde etwa auch verschiedentlich von Methode gesprochen. Eine Arbeitsweise, die weder an eine bestimmte Zeit gebunden ist noch an eine enge Szene. So kommen die MusikerInnen, die Improvisation als Methode praktizieren, von ganz unterschiedlichen Gebieten her, aus der Klassik, dem Jazz, der Elektronik, dem Hiphop. Als Methode kann sie auch neben anderen Methoden zum Einsatz kommen, in Kombination. Und als Methode kann sie natürlich ein Stück weit vermittelt werden, wie dies etwa, wie erwähnt, an der Luzerner Hochschule geschieht. Hier wird mit Möglichkeiten, Spielweisen experimentiert, es wird diesen im dichten Lehrplan des Studiums ein Platz geboten und zwar durchaus mit der Idee, die Wichtigkeit solchen Arbeitens im Gegensatz zum interpretierenden Spiel zu betonen und zu fördern, und nicht um freie Impulse hiermit in eine Bahn zu lenken. Das ist wichtig, um innerhalb unserer durchstrukturierten, leistungsorientierten Hochschulen und Berufswelten ein Bewusstsein für offene Arbeitsformen, für Wahrnehmung und nonverbale Kommunikation zu bewahren.

Dass die Eingliederung der Improvisation in die Hochschule kritisch betrachtet wird, ist richtig und wichtig, denn wir wissen, dass eine institutionelle Vereinnahmung das beste Mittel ist, um rebellische Tendenzen zu schwächen. Doch wenn Methoden vermittelt werden, so bleibt das improvisatorische Denken noch immer Aufgabe des Einzelnen – es lässt sich nicht lehren, aber auch nicht durch Erziehung brechen.

Denn neben Ideologie und Methode sehe ich eine dritte Existenzform, in der freie Improvisation auch heute noch sehr lebendig und zeitgemäss ist: die der Haltung. Hier geht es, im Unterschied zur historisch geprägten Ideologie, nicht um eine explizit politische Bewegung, sondern um ein Denken, das die MusikerInnen als Menschen prägt: um ihre Form der Auseinandersetzung mit der Wahrnehmung von Raum und Zeit und Materialität, um ihre Aufmerksamkeit, um ihren Forschergeist, um ihr Bedürfnis nach ständigem Neuanfang (zu Recht wurde in vorangehenden Texten sehr schön formuliert, dass eine Improvisation nach jedem Spiel stirbt und mit jedem neuen geboren wird). Diese Haltung lebt unglaublich vielfältig weiter, bei einer Menge junger MusikerInnen, und sie entwickelt sich mit der Zeit weiter. Diese Haltung haben auch die älteren Hasen beibehalten, die sich, wie Meyer erwähnt, neuen Bereichen geöffnet und Einflüsse produktiv integriert haben.

Und gerade weil die ideologischen Fesseln mittlerweile weggefallen sind, kann sich die freie Improvisation als Haltung heute weitaus breiter und heterogener entfalten als damals – sie ist vielleicht gar im eigentlichen Sinne freier, weil undogmatischer geworden. Die frei improvisierenden MusikerInnen beziehen, wie auch in anderen Textbeiträgen erwähnt wurde, vielseitigste Einflüsse mit ein, was nicht zur Abschwächung des improvisatorischen Gedankens führt, sondern zu dessen steter Bewegung, Erneuerung, Diversifizierung, zu einer bereichernden Heterogenität. Es stimmt, dass viele MusikerInnen sich heute parallel sowohl auf dem Gebiet der Improvisation als auch der Komposition und Interpretation, des Jazz oder der Neuen Musik beschäftigen, dass diese unterschiedlichen Tätigkeitsbereiche sich auch gegenseitig inspirieren, aber das halte ich weniger für eine künstlerische Inkonsequenz als vielmehr für ein Merkmal unserer Zeit, für einerseits eine Folge des Stilpluralismus in der Kunst und aber auch des Multitaskings in der Arbeitswelt und der elektronischen Vernetzung und gewaltigen Verfügbarkeit auf der Ebene der Information. Es ist heute einfacher, als improvisierender Musiker etwa auch Zugang zu haben zu Formen der Improvisation, die in anderen Völkern traditionsgemäss praktiziert werden und dadurch seinen Horizont zu erweitern. Ich stelle heute eine riesige Neugier dem verschiedenen Klangmaterial gegenüber fest, und gerade in Reaktion auf die kulturpolitischen Tendenzen der letzten Jahre, alle künstlerischen Ausdrucksformen zu kategorisieren, entwickeln FreidenkerInnen das Bedürfnis, sich diesen eindeutigen Zuschreibungen zu entziehen.

Auf diese Weise entwickelt sich die freie Improvisation mit der Zeit weiter und bleibt lebendig, sie sucht den Kontakt zum experimentellen und freien Theater, zur Spoken Word Szene oder auch zur Neuen Musik – und ja, ich selbst als bildende Künstlerin bin durch den engen Austausch wesentlich geprägt worden – weil dank des Wegfalls der Ideologien die verwandten ästhetischen Fragen sichtbar werden.



Zurück zu Meyers Rede vom Ende der Improvisation und Problem des fehlenden Diskurses. In Anbetracht der vorangegangenen Gedanken scheint mir hier ein Teil des Problems beim Begriff zu liegen, bei der Art, wie er verwendet wird und der unklaren Deklaration der Bedeutungsebene im Text von Meyer.

Eine klare Positionierung seitens des Autors wäre hier zwingend nötig, um nicht eine äusserst aktive, engagierte, von Eigeninitiative getriebene Szene missverständlicherweise totzusagen.

Ich höre aber auch ein Zweifeln des Autors bezüglich der Begrifflichkeit und die damit implizierte Nachfrage um Antworten von anderen heraus: Ich höre heraus, dass Thomas Meyer an die LeserInnen die Frage richtet, wie heute über die Improvisation gesprochen werden kann. Ich höre seinen Ruf – sowohl an die MusikerInnen wie an die TheoretikerInnen – nach einer verstärkten Diskussion der Begriffe. Dass er dies tut ist nur verständlich, denn als Kritiker ist die Begrifflichkeit sein Material, nicht die Töne sind es, und somit wird er natürlicherweise darum besorgt sein, dass man auch auf dieser Ebene nicht stehen bleibt, sondern kritisch fragt: Dienen die geläufigen Begriffe von damals noch für eine Diskussion der heutigen Praxis?

Nun kann man als MusikerIn sagen, das sei doch irrelevant. Einer solchen Begriffsscheu begegnet man bisweilen in der jüngeren Generation. Doch diese Fragen haben heute eine neue Dringlichkeit, da sich auch die Musikhochschulen gemäss dem bildungspolitischen Auftrag im Bereich der Forschung betätigen müssen. Thomas Meyer ist selbst an einem Forschungsprojekt zusammen mit – teilweise auch komponierenden – improvisierenden Musikern beteiligt, und als Theoretiker in der Gruppe fällt ihm natürlich stark die Rolle der begrifflichen Reflexion und Positionierung zu. Nun wäre es meiner Ansicht nach absolut wichtig, dass ein Prozess der Begriffsbildung nicht nur hochschulintern initiiert und geführt wird, sondern von den in der freien Szene aktiven improvisierenden MusikerInnen mitgetragen und wesentlich mitbeeinflusst wird. Nur gestützt auf eine vielseitige Praxis, auf heterogene Stimmen kann ein Diskurs wachsen, welcher der Vielfalt der freien Improvisation gerecht wird.

Im Vergleich dazu ist es in der bildenden Kunst selbstverständlich, dass KünstlerInnen sich verbal zu ihrer Arbeit äussern können müssen, dass sie sich im aktuellen Kontext positionieren können, dass sie eine Sprache entwickeln, um ihre Ideen zu formulieren. Ohne diese Fähigkeit kommen wir als bildende KünstlerInnen nirgendwo hin, besonders heute, da wir uns grösstenteils selber managen. Dieses Bewusstsein für die reflektierende Ebene des Schaffens ist nicht neu, schon seit jeher haben Kunstschaffende auch geschrieben, debattiert, Texte veröffentlicht. Infolgedessen ist auch die Diskussion um Begriffe, ihre Verwendbarkeit und Aktualität viel intensiver, bisweilen rückt sie gar zu sehr in den Fokus und behindert den offenen Blick. Die begriffliche Reflexion hilft aber auch, aktuelles Schaffen zu früheren, ähnlich motivierten Tendenzen in Bezug zu setzen, davon abzugrenzen und in einem neuen zeitlichen Kontext zu aktualisieren.

Natürlich hat das, bei aller Schärfung der Reflexion, auch zu einer Überschwemmung von definierten Kunstformen geführt, die in der Praxis dann auch viel zu eng sind. So üben heute – vielleicht ähnlich wie in der improvisierten Musik – viele KünstlerInnen eine vielschichtige, heterogene Tätigkeit an Schnittstellen zwischen Gattungen, zwischen Kunst und anderen Disziplinen aus und entziehen sich dezidiert einer Zuordnung, nicht ohne aber für sich selbst doch eine Form des Sprechens zu suchen.

So wünsche ich mir für die frei improvisierenden MusikerInnen, dass sie ihre Offenheit und Aktivität beibehalten, dass sie aber auch den Diskurs suchen, mitentwickeln und sich bewusst sind: die freie Improvisation kann – als ideologisch geprägter Begriff – vielleicht vergangen sein, aber als Denken bleibt sie hochaktuell. Und die freie Improvisation mag sich auch fragen, was heute ihre Dringlichkeit, ihre gesellschaftliche Notwendigkeit ist: Denn diese ist sicher nicht die gleiche geblieben wie damals, sie liegt nicht mehr im Niederreissen der Grenzen von Musik, aber eine Notwendigkeit gibt es. Ich vermute sie stark etwa auf der Ebene der Aufmerksamkeit und Konzentration auf einen Moment, einen vielleicht ganz leisen, ganz langsamen Moment, in der Fähigkeit, sich auf etwas einzulassen, das man nicht im Vornherein weiss und nicht kontrollieren kann und in der Tatsache, dass nur die physische Begegnung, die Einmaligkeit von zusammenfallenden räumlichen, zeitlichen, emotionalen, mentalen Bedingungen gewisse musikalische Erfahrungen ermöglicht.

Wie zu Beginn erwähnt: Dass die jungen freien ImprovisatorInnen sich aus einem breiten Diskurs eher zurückhalten, damit hat Thomas Meyer wohl Recht. Dass er aber trotzdem mit keinem Wort (!) die Existenz dieser grossen dynamischen Szene mit jungen MusikerInnen, die sich beharrlich der freien Improvisation widmen, erwähnt, das nehme ich ihm doch sehr, sehr übel. Denn damit ebnet er den Weg für eine verheerende Fehlinterpretation seines Artikels durch Musikförderinstitutionen. Ich selbst besuche im Schnitt drei- bis viermal monatlich ein Konzert im Mullbau in Luzern, dabei sind SolistInnen, Duos, Trios, die ich schon kenne und solche, die für mich immer wieder Neuentdeckungen bieten, und ich war noch jedesmal überrascht, ich höre immer wieder Anderes als das, was ich erwartet habe und möchte auf den intensiven gedanklichen Austausch, den ich als Künstlerin dort mit den MusikerInnen in den letzten drei Jahren erlebt habe, auf keinen Fall verzichten.

Thomas Meyer lade ich von Herzen ein, endlich auch einmal und künftig möglichst oft an die Konzerte in den Mullbau zu kommen (das gleiche empfehle ich ihm für die Konzerte, die in Biel, Lausanne, Genf etc. organisiert werden), denn er wird überrascht sein, wie viel es da zu entdecken gibt. Und ich freue mich, mit ihm und den anwesenden MusikerInnen zu diskutieren.

Denn ich bin mir immer noch nicht im Klaren darüber, was er mit seinem Artikel bezwecken wollte, und das würde mich doch sehr interessieren.

Mit besten Grüssen

Miriam Sturzenegger

04/10/2010

LA CAVE 12-NOMADE - GENEVE - SUISSE

Nous suivons-survelons ce débat de loin, très loin, et venons de prendre réellement connaissance du texte de Monsieur Meyer.
Nous sommes estomaqués!

C'est une provocation complètement stérile, rétrograde, aigrie, à des années-lumières de la réalite ACTUELLE (pas celle d'il y a 40ans... heureusement!!!) et qui ne sert absolument à rien. C'est inconstructif, il n'y a aucun but derrière, ça sert à quoi ce texte? Une querelle faussement intellectuelle de quinquagénaire frustré? Vous n'avez rien d'autre à faire?
Aller écouter des concerts p.exemple? Des bons concerts je veux dire? Des concert en phase avec le "AUJOURD'HUI-2010"?
Ou peut-être, il ne se passe rien à Zürich, à Berne, ou je ne sais pas où vous vivez? Peut-être que finalement il n'y a pas vraiment de lieu dans votre ville sérieusement dévolu aux pratiques improvisées d'AUJOURD'HUI-2010 ??? Peut-être il n'y a t il que des lieux organisant des concerts-copinages, du genre, 50 fois les mêmes musiciens par année? En tout cas, ce genre de texte n'aidera certainement pas à la création de vrai lieu de rencontre improvisée- prise-de-risque-expérimentale-NON-FONCTIONARISé.... c'est-nul-zéro-nada! Et franchement, on s'en fout. C'est votre problème, Monsieur Meyer.

Monsieur Meyer, ici, la cave12, Genève.

Cela fait 21 ANS que nous organisons des concerts dits expérimentaux (étiquette large).

Nous avons, AUJOURD'HUI, en 2010, un rythme hallucinant de 150 CONCERTS par année, dont plus des 2/3 sont de la MUSIQUE IMPROVISEE LIBERTAIRE (pardon, libre...). Nous n'avons plus de lieu propre depuis 3 ans. Nous sommes nomades, et continuons à organiser/improviser une série terrassante de concerts de musique improvisée avec des artistes-musiciens provenant du MONDE ENTIER. Des artistes INTERNATIONALEMENT RECONNUS! Des "stars" quelques fois! Des rencontres avec des musiciens-improvisés SUISSES se passent. Des romands. Des suisses allemands. Mais certainement pas ceux de votre réseau, il faut croire. Peut-être sont-ils trop vieux, dépassés, aigris, ne comprenant pas les données-enjeux du flux-avancée musical actuel.

On est pas sûr de bien comprendre de quoi vous parlez... un son "improvisation libre"? Un esprit "improvisation libre"? Une scène "improvisation libre"? Une école "improvisation libre"??????????

N'importe quoi. C'est vous, les étiquetteurs, qui voulez CROIRE détenir le POUVOIR de nommer, cadrer, définir, décider de comment ça doit être, comment ça doit sonner, comment ça doit fonctionner, comment il faut penser....

On ne vous connaît pas personnellement, Monsieur Meyer et franchement, tant mieux pour nous. Ou alors il faudrait totalement revoir votre manière de penser. On connait Derek Bailey, qui a joué chez nous. Paix à son âme. On connaît Peter Brötzmann qui Machine Gun toujours autant, voire plus qu'en 68. On connait Roger Turner (génération Bailey) qui vient de jouer chez nous en août 2010 (!!!) avec deux jeunes improvisateurs français (Arnaud Rivière et Alexandre Bellenger). Ce fut une claque monumentale. Un concert abrasif suffisant à lui tout seul à brûler votre papier. Un torrent noise-électronique-free-libertaire qui vous aurait fait sortir de la salle, certainement, tellement c'était fort. Il n'a pas fait sortir les 50 personnes du public présente de la salle. Elles en ont redemandé. Elles ont acheté des tonnes de disques (de musique improvisée, tiens...). Et ça, c'est juste un exemple récent. On a trois concerts par semaine en moyenne (dont 2 et demi de musique improvisée). On a pas le temps en fait de répondre à ces conneries... on a trop de boulot... vous n’avez qu'à vous renseignez. Lisez notre programme en ligne ici: www.cave12.org et nos archives dans le même site.

Et oui, un Janvier 2011, le 16, nous allons organiser le Insub Meta Orchestra #2. A l'Usine. Salle Rock genevoise. On va y faire de la musique improvisée. Avec 50 MUSICIENS IMPROVISATEURS SUISSES! Une petite pointe de l'Iceberg. Cachant la richesse de la scène improvisée suisse. Mais la Suisse, Monsieur Meyer, on s'en fout. On aime pas les pays, les nations.

Depuis 21 ans nous travaillons dans le domaine de l'Internationale Expérimentale Improvisée. Tokyo, Sydney, Berlin, Berne, Zürich, Bruxelles, Lyon, Barcelone, Oslo, Bienne ou Genève... c'est tout un même village.

Non, Monsieur Meyer, la musique improvisée n'est pas prête de mourir. Loin de là. On vous assure: elle n'a jamais été aussi active-présente-innovatrice qu'actuellement. Et c'est normal. Les avancées technologiques, le cadre social-sociologique mondial, la catastrophe politique culturelle en la matière dont ce genre de texte fait partie, POUSSENT les artistes-improvisateurs à aller plus loin, pousser plus avant les possible du langage musical libre! Il y a des sons-approches qu'on entend aujourd'hui qu'il aurait été impossible d'entendre il y a 20, 10 ou 5 ans en arrière. La musique, son timbre, son tempo, ses textures sont en évolution constante. Comme le sont les oreilles. C'est une véritable explosion du genre en ce moment. Qui va toujours plus loin et part dans tous les sens. Et C'EST TANT MIEUX! C'est un magma. C'est indéfinissable et c'est TANT MIEUX! Partout dans le monde. Et on en sait quelque chose, nous qui assumons-organisons 3 concert par semaine en moyenne ici. Mais à la pointe. Pas les copains. On aime pas les copains. On se réjouit, p.exemple, de recevoir le plutôt jeune et génialissime Peter Evans encore une fois en octobre ici. Un révolutionnaire trompettistique qui a joué avec des suisses ici, Jonas Kocher & Laurent Bruttin. On vient de sortir un disque sur notre label avec le duo genevois Diatribes et le Monstre Barry Guy. De la musique improvisée libre ET ardue. Le disque est quasiment sold out et s'est vendu partout en Europe.

En fait on pourrait vous bombarder d'exemples du genre.

Mais on a pas le temps. On a trop de boulot. Des mails à répondre pour trouver des SOLUTIONS pour continuer à organiser 150 concerts de musiques improvisées-expérimentales par an dans un contexte hostile, dégueulasse et immonde.

Monsieur Meyer, nous ne vous remercions pas pour votre texte. Personne ne vous remercie pour votre texte.

Mais des MILLIERS de musiciens de part le monde remercient la cave12-nomade de continuer à se battre et à exister contre ce genre de prise de position stérile.

Vous n'aidez en rien.

Juste à détruire.

Mais ne vous en faites pas, la MUSIQUE IMPROVISEE continuera à vivre, bien après votre mort et avec ou sans vous.

Nous aimons Chris Corsano, Jerome Noetinger, Antoine Chessex, D'Incise, Nicolas Field, Jacques Demierre, Jonas Kocher, Charlie Parker, Lou Reed, John Zorn, Günter Müller, Joke Lenz, Jason Kahn, Norbert Möslang, le Festival Rue du Nord, L'Oblo, L'INSUB META ORCHESTRA, Metamkine, Tomas Körber, Peter Bötzmann, Andy & Terrie Ex, Gilles Aubry, Akira Sakata, Otomo Yoshihide, Keiji Haino, toute la scène improvisée avant-gardiste suisse et internationale, etc, etc, etc, etc, etc, etc.... au bout du compte, CE SONT EUX QUI COMPTENT, on se souviendra d'eux...... pas de vous...

la cave12-nomade - Genève - SUISSE

PIERRE EGGIMANN

A propos de l'article " Ist die freie Improvisation am Ende?" de Thomas Meyer, paru dans Dissonance, #111.

Cher Monsieur Thomas Meyer,

Je ne vous connais pas et manifestement, il en est de même pour vous. Je fais partie des insignifiants musiciens "obscurs" improvisateurs qui selon vous agonisent un peu partout sur les scènes suisses. Quel tableau, nous brossez-vous là ?

Mes collègues, au fils de leurs textes, ont, je dois le dire, déjà fait un très beau travail pour remettre à sa juste place votre diatribe. Non seulement elle amalgame des choses incompatibles, mais elle assène des informations totalement fausses et inexactes et montre votre profonde méconnaissance de la scène suisse de l'improvisation en la taxant de moribonde, alors que je constate actuellement une renaissance puissante de cette scène depuis quelques années. Par contre, je dois dire qu'elle n'est pas reconnue au même titre que les grandes manifestations people, tels le festival de jazz de Montreux, de Lugano, de Berne, le Paléo ou le Gurten. Alors que strass et paillettes pétillent au son des bulles de champagne pour VIP en goguette dans les grands festivals, un underground extrêmement actif organise et fait vivre des événements extraordinaires de créativité grâce à l'engagement d'humains passionnés et passionnants.

Ignorer, par exemple, le travail réalisé par le collectif de la Rue du Nord à Lausanne, La cave 12 et l'AMR à Genève, l'ABC à la Chaux-de-Fonds, les musicien de la scène biennoise tels, Lucien Dubuis (reconnu jusqu'à New-York), Lionel Gafner, Jonas Kocher (tous trentenaire ou moins) et le Swiss-Balkan Creative Music Project est soit de l'incompétence, soit de la désinformation malhonnête. Dans les deux cas, car je n'en vois pas d'autre, vous n'avez plus rien à faire ni dans un organisme de subventionnement culturel national, ni dans un journal parlant de musique nouvelle. Et dans ce cas, Cher Monsieur, j'ai également l'honneur de vous renvoyer l'ascenseur en déclarant que le journalisme honnête est mort ! A moins que ce soit le journalisme compétent !

En tant que pédagogue et musicien improvisateur de longue date, je désire simplement démonter votre grand concept, vieux de plus de trente ans, qui parfois ressurgit en déclarant que l'improvisation ne s'enseigne pas. Tout musicien qui se respecte, sait par définition que l'apprentissage de la musique est plus un accompagnement vers la découverte de la propre expression de l'élève qu'un véritable apprentissage "dur". Cette affirmation vaut pour l'improvisation autant que pour la musique écrite. Cet accompagnement pédagogique est essentiel, mais il ne saurait à lui seul "fabriquer " un musicien. Il y a deux ou trois siècles, les écoles de musique et conservatoires de musique n'existaient pas et la musique n'était pas reconnue comme une discipline artistique, mais un artisanat qui se transmettait de maître à élève. De là où ils se trouvent, les grands compositeurs que sont Bach, Beethoven ou Mozart diraient certainement en regardant notre système de formation musicale actuel que la musique ne s'apprend pas dans les écoles, et ils ne parleraient pas seulement de l'improvisation, mais de la musique en général. Aucun pédagogue musicien sérieux ne pourra prétendre apporter l'Art de la musique à un élève, que la musique soit écrite ou improvisée, car aborder l'apprentissage musical, ce n'est pas inculquer à coup de massue le Code pénal par coeur ou tous les théorèmes des mathématiques. La principale action du pédagogue est de montrer une voie, un art d'entrer en musique, de s'approprier cette forme d'expression, d'en comprendre les tenant et aboutissant et à la toute fin de s'en approprier les divers éléments pour en forger sa propre expression singulière. "Apprendre à apprendre, obtenir que l’étudiant s’enseigne lui-même, qu’il devienne autodidacte par volonté" pour reprendre la formule de Pierre Boulez.

Quand Denis Beuret dans son texte-réponse affirme " Elle (la musique improvisée) se renouvelle à travers chaque musicien, à travers la singularité de chaque individu", j'affirme que cela vaut pour la musique écrite également. En effet, le pédagogue ne peut qu'accompagner un élève vers sa propre expression musicale, il ne pourra jamais lui inculquer "la Musique ". Et si comme vous l'affirmez, l'improvisation ne s'apprend pas dans les Hautes écoles, la musique écrite ne s'apprend pas non plus dans les Hautes écoles. Pour preuve aucune Haute école, qu'elle soit jazz ou classique ne pourra jamais prétendre qu'un musicien sortant diplôme en poche, trouvera du travail et fera un carrière d'artiste concertiste ou compositeur brillantissime. Le fait de pouvoir jouer une sonate de Beethoven, les deux cahiers par coeur du clavier bien tempéré de Bach et j'en passe, ne suffit évidemment pas à se déclarer pianiste concertiste. Là est bien le problème. Un musicien sortant d'une HEM n'est pas encore un musicien mais il a tous les moyens en poche pour le devenir. De même un improvisateur qui sort d'un cursus d'improvisation d'une école quelconque n'est pas un improvisateur, mais a potentiellement les moyens d'en devenir un par son engagement futur et sa pratique. En fait, la démarche ultime lui appartient. Cela, tous les musiciens conscients, improvisateurs ou non le savent et votre grande tirade totalement décalée est d'une ringardise inquiétante. Par contre, comme déjà dit par mes collègues, elle contribue gravement à "ghettoiser" encore un plus les musiciens et artistes appartenant au jazz libre en Suisse.

Autre constat qui m'attriste : Vous vous prétendez musicologue et journaliste, titres que vous avez très certainement acquis, il y a très, très, très longtemps… En effet, un certain nombre de travaux de recherches, dans nombre de pays, parlent avec intelligence et pluralité de la place de l'improvisation et notamment de l'improvisation libre. Beaucoup de chercheurs, déjà dans le début des années quatre-vingt ont dessiné les contours des enjeux de l'enseignement de l'improvisation et de sa pratique. Ce que vous écrivez à ce sujet est proprement consternant et appartient à une vision totalement dépassée qui nie nombre d'ouvrages et de témoignages sérieux qui parlent de cela avec humanitude, intelligence et rigueur intellectuelle. Je vous renvoie à ce sujet aux écrits de Jacques Siron ou de Denis Levaillant qui, parmi beaucoup d'autres, ont tous deux contribué de belle manière à ce vieux débat. Mais je suppose que selon "Saint-Thomas-Meyer" ces gens n'existent pas non plus.

Pour conclure, j'aimerais simplement re-citer ce que Jacques Demierre dit dans sa réponse plus bas : " Prétendre que l’improvisation est morte équivaut à dire que la musique est morte ! ".

Cher Monsieur Thomas Meyer, si vous pensez à changer de métier, ce que je vous conseille vivement, les Pompes funèbres vous iront très bien. A bon entendeur…

02/10/2010

ANDREAS KUNZ

Freie Improvisation heute
In meinem Leben als Musiker ist die Beschäftigung mit freier Improvisation
absolut zentral geworden. Warum ist das so?

Als klassisch ausgebildeter Violinist bin ich erstmals vor 4 Jahren (2006) im
Rahmen des Pflichtfachunterrichts an der Hochschule für Musik in Basel auf diese
Art des Musizierens gestossen. Als interessierter, kritischer Musiker und
Zeitgenosse habe ich nach anfänglicher Skepsis die Vorzüge dieser
Musizierhaltung immer mehr schätzen gelernt und schliesslich das in Europa
(leider noch) einzigartige Master-Studium absolviert, welches Walter Fähndrich
in höchst verdienstvoller Weise über Jahre aufgebaut hat.
Wo liegen nun aber die von mir angesprochenen Vorzüge? Ich nenne hier die
Wichtigsten.
- Welche Musizierhaltung geht derart radikal vom Hören aus?
- Wo anders als in der freien Improvisation kann ein Musiker sich in
dieser reinen Form mit den Urfragen musikalischen Handelns auseinandersetzen?

- Wo findet sich sonst diese unglaubliche Freiheit der
Selbstbestimmung, dieser offene Raum, in dem alles möglich erscheint?
Nach Improvisationskonzerten habe ich immer wieder die Gelegenheit, mit
Zuhörerinnen und Zuhörern höchst interessante und anregende Gespräche zu führen.
Die oft begeisterten Reaktionen (nicht nur von Spezialisten) zeigen mir, dass
freie Improvisation ankommt und dem Publikum spannende (Hör-)Anstösse gibt.
Freie Improvisation auf Materialfragen zu reduzieren halte ich für verfehlt.
Selbstverständlich ist die Klangforschung ein wichtiger Aspekt in der Arbeit
eines Improvisators. Für viel entscheidender halte ich aber, wie schlussendlich
mit dem Material umgegangen wird. Durch die grundsätzliche und fortgesetzte
Forschungstätigkeit, die diese Art des Musizierens einerseits ermöglicht und
anderseits immer wieder erzwingt, ist ein Stillstand gar nicht möglich. Jeder
Improvisator verfügt über eine eigene Biographie, ist eine eigenständige
Persönlichkeit. Daher wird auch der Umgang mit dem Material, die Sichtweise,
immer völlig subjektiv und neu bleiben.

Langenthal, 1. Oktober 2010
Andreas Kunz,
Violinist, Master of Specialised Music Performance in Freier Improvisation

01/10/2010

DENIS BEURET

La musique improvisée est-elle morte ?

La musique, en tant qu’art du temps, se meurt à l’issue de chaque interprétation d’une œuvre, que celle-ci soit écrite ou improvisée n’y change rien. Une fois qu’on a fini de jouer, la musique cesse de vivre, si ce n’est dans nos souvenirs; à moins qu’elle ne soit enregistrée ou transcrite, de mémoire ou grâce à l’écoute d’un enregistrement, auquel cas, on pourra lui redonner vie momentanément, le temps d’une écoute de disque ou d’une interprétation, jamais plus longtemps.

La musique n’est pas figée, au contraire d’une œuvre d’art, plus ou moins immortelle, mais vit de manière éphémère, le temps qu’on la joue, pas plus. Il est donc difficile de spéculer sur la valeur de la musique.

La musique improvisée est la musique car toute musique part d’une improvisation, quand bien même celle-ci se résume parfois à improviser un motif de quelques notes et à échafauder ensuite, sur cette base, toute une symphonie.

L’improvisation est égale à l’inspiration et tout le monde conçoit que sans inspiration il n’est pas d’œuvre musicale digne de ce nom.

L’improvisation est expérimentation et elle permet de trouver de nouveaux langages musicaux qui seront ou non figés et codifiés par l’écriture et la composition.

L’improvisation est la vie. La vie est improvisation. Toute notre vie, nous improvisons notre vie.

Maints compositeurs du passé ont été des improvisateurs renommés, Bach, Mozart, Beethoven, Schubert, Saint-Saëns, Chopin, Messiaen, … pour n’en citer que quelques-uns.

Maints improvisateurs actuels sont des compositeurs et il n’y a pas de raison de mettre en doute le lien qui existe entre ces deux actes musicaux que sont l’improvisation et la composition, ni d’élever l’un de ces actes au-dessus de l’autre. Les improvisateurs composent en temps réel, les compositeurs en temps différé. Le reste n’est que vaine et insalubre querelle.

L’écriture musicale, faut-il le rappeler, a été inventée pour servir de pense-bête aux musiciens, afin qu’ils se souviennent d’airs connus, puissent noter leurs idées musicales et transmettre leurs connaissances à d’autres musiciens.

Prétendre que l’improvisation est morte équivaut à dire que la musique est morte !

Une musique est morte quand plus personne ne la joue, mais elle peut renaître dès qu’un musicien la rejoue.

La musique de Bach n’a pour ainsi dire plus été jouée depuis sa mort (celle de Bach, pas de sa musique) jusqu’à l’époque Romantique. Etait-elle morte pour autant ?

De nombreuses compositions de musique ancienne furent ressuscitées au vingtième siècle alors qu’elles avaient, pour la plupart, sombré dans l’oubli pendant des siècles et aucun critique ou journaliste musical n’avait prédit leur résurrection.

Une des caractéristiques de notre époque est que l’on joue plus de musique de compositeurs décédés que de compositeurs vivants, hormis les compositeurs de musique de divertissement.

Ce constat amène deux questions :

Pour quelle raison la musique de compositeurs décédés est-elle plus jouée que celles des compositeurs vivants ?
Comment se fait-il que les compositeurs de musique de divertissement soient plus joués que les compositeurs décédés depuis plus de 50 ans ?

Les raisons sont malheureusement plus financières qu’esthétiques :

Les compositeurs contemporains sont protégés par les droits d’auteurs et les promoteurs culturels rechignent à prendre des risques en programmant un compositeur contemporain, d’autant plus qu’ils devront payer des redevances pouvant s’élever à 10% du budget total. Ils préfèrent programmer des compositeurs « ayant fait leurs preuves » et dont les œuvres ne sont plus protégées. Ils font ainsi une double économie.

L’industrie de la musique de divertissement est basée sur les modes qui sont, par définition, éphémères.

Et la musique improvisée dans tout cela ?

La musique improvisée n’est pas un produit commercialisable : On peut, bien entendu, enregistrer des concerts, graver des disques et inonder le marché avec des disques de musique improvisée, mais il est totalement contraire à l’esprit de l’improvisation de reproduire à l’identique, lors d’un concert, une improvisation passée.

Or l’industrie musicale est formatée selon les mêmes modèles que l’industrie tout court :
Reproduire à l’identique et au moindre coût des produits formatés pour plaire au plus grand nombre et dont la durée de vie est la plus courte possible. Notre société de consommation est basée sur ce schéma et l’on n’a pas encore mesuré l’ampleur des dégâts environnementaux et humains engendrés par cette course effrénée aux profits. Le réchauffement climatique qui s’amorce aura des conséquences que nul ne peut imaginer.

Et la musique improvisée dans tout cela ?

En refusant d’entrer dans ce schéma industriel, la musique improvisée est encore et toujours un mouvement de contestation, comme dans les années 60, rien n’a changé !

La musique improvisée s’est simplement adaptée en intégrant de nouveaux composants telle l’utilisation de l’électronique ou de techniques et langages contemporains, souvent eux-mêmes issus d’expérimentations improvisées. La boucle de rétroaction ainsi formée et la faculté d’adaptation réciproque de l’improvisation et de la composition démontre la vitalité de la musique contemporaine car, comme tout le monde le sait :

La faculté d’adaptation est le propre des organismes vivants !

CQFD

Denis Beuret
Ministre Suisse de la Culture
Tromboniste, improvisateur, compositeur, développeur, …
Membre des comités : SMS, WIM Bern, 11+ Lausanne
Membres de : ASM, USDAM, SSRS, AMR, Live in Vevey, Spirale, Nouveau Monde, …
Administrateur de l’Association Nouvelles Créations