02/10/2010

ANDREAS KUNZ

Freie Improvisation heute
In meinem Leben als Musiker ist die Beschäftigung mit freier Improvisation
absolut zentral geworden. Warum ist das so?

Als klassisch ausgebildeter Violinist bin ich erstmals vor 4 Jahren (2006) im
Rahmen des Pflichtfachunterrichts an der Hochschule für Musik in Basel auf diese
Art des Musizierens gestossen. Als interessierter, kritischer Musiker und
Zeitgenosse habe ich nach anfänglicher Skepsis die Vorzüge dieser
Musizierhaltung immer mehr schätzen gelernt und schliesslich das in Europa
(leider noch) einzigartige Master-Studium absolviert, welches Walter Fähndrich
in höchst verdienstvoller Weise über Jahre aufgebaut hat.
Wo liegen nun aber die von mir angesprochenen Vorzüge? Ich nenne hier die
Wichtigsten.
- Welche Musizierhaltung geht derart radikal vom Hören aus?
- Wo anders als in der freien Improvisation kann ein Musiker sich in
dieser reinen Form mit den Urfragen musikalischen Handelns auseinandersetzen?

- Wo findet sich sonst diese unglaubliche Freiheit der
Selbstbestimmung, dieser offene Raum, in dem alles möglich erscheint?
Nach Improvisationskonzerten habe ich immer wieder die Gelegenheit, mit
Zuhörerinnen und Zuhörern höchst interessante und anregende Gespräche zu führen.
Die oft begeisterten Reaktionen (nicht nur von Spezialisten) zeigen mir, dass
freie Improvisation ankommt und dem Publikum spannende (Hör-)Anstösse gibt.
Freie Improvisation auf Materialfragen zu reduzieren halte ich für verfehlt.
Selbstverständlich ist die Klangforschung ein wichtiger Aspekt in der Arbeit
eines Improvisators. Für viel entscheidender halte ich aber, wie schlussendlich
mit dem Material umgegangen wird. Durch die grundsätzliche und fortgesetzte
Forschungstätigkeit, die diese Art des Musizierens einerseits ermöglicht und
anderseits immer wieder erzwingt, ist ein Stillstand gar nicht möglich. Jeder
Improvisator verfügt über eine eigene Biographie, ist eine eigenständige
Persönlichkeit. Daher wird auch der Umgang mit dem Material, die Sichtweise,
immer völlig subjektiv und neu bleiben.

Langenthal, 1. Oktober 2010
Andreas Kunz,
Violinist, Master of Specialised Music Performance in Freier Improvisation

Aucun commentaire:

Enregistrer un commentaire