05/10/2010

MIRIAM STURZENEGGER

Zum Artikel „Ist die freie Improvisation am Ende?“ von Thomas Meyer und zu den zahlreichen Reaktionen von frei improvisierenden MusikerInnen


Als bildende Künstlerin, die allerdings einen engen Kontakt pflegt mit einer Vielzahl von freien ImprovisatorInnen, habe ich durch die heftigen Diskussionen unter befreundeten MusikerInnen von Thomas Meyers Artikel und dessen politischen Konsequenzen erfahren und zuerst die Reaktionen gesehen, bevor ich überhaupt den Artikel selbst gelesen hatte. Das holte ich dann nach und stellte, nachdem ich anfangs schon sehr kritisch war, fest, dass der Artikel zwar Gefährliches ausgelöst hat, als solcher aber sehr interessante und relevante Überlegungen anstellt, die vielleicht nicht eindeutig genug dargelegt sind.

Erfreut bin ich über die zahlreichen Antworten seitens der MusikerInnen, die teilweise sehr fundiert argumentieren und von einem engagierten Selbstbewusstsein zeugen. Selber habe ich beim Lesen des Artikels über einen Aspekt nachgedacht, der verständlich machen würde, was Thomas Meyer eigentlich meint, wenn er von einem Endpunkt spricht. Dieser Aspekt ist vom Autor leider nicht explizit genug formuliert, was wohl zu Missverständnissen geführt hat und angesichts der politischen Verstrickungen gefährlich ist.

Vorweg: Dass dieser Artikel eines freien Kritikers von Seiten der Kulturpolitik, im Speziellen gewisser Förderinstanzen, auf den Satz reduziert wird, die freie Improvisation sei am Ende (im Sinne von: habe nichts mehr zu sagen) und in der Folge zur Rechtfertigung für negative Entscheide auf Beitragsgesuche herangezogen wird, ist inakzeptabel. (Ebenso tragisch ist, dass in den entscheidungstragenden Positionen gewisser Förderinstanzen Personen sitzen, die sich mit der Materie, über die sie zu entscheiden haben, überhaupt nicht auskennen, so dass sie sich in solch peinlicher Weise auf einen Kritiker beziehen müssen.)

Sehr problematisch ist dabei zweitens, dass der Autor selbst als Kommissionsmitglied mit der betreffenden Förderinstitution verknüpft ist, was einem Bruch mit dem Prinzip der Gewaltentrennung gleichkommt. Allerdings hoffe ich, dass sich Herr Meyer hier nicht durch dieses Mandat beeinflussen liess und bin überzeugt, dass er den Artikel aus eigener Motivation verfasst hat.

Zudem muss ich aber auch annehmen, dass sich der Autor nicht bewusst gewesen ist, wie der Artikel in der Kulturpolitik rezipiert werden würde, dass seine Worte derart instrumentalisiert werden würden. Dass der Autor mit der Aussage, die freie Improvisation sei am Ende, diese Szene, die er jahrelang als Kritiker begleitet hat, von heute auf morgen totsagen will, kann ich mir schlicht nicht vorstellen.

Es bleibt deshalb die Frage: Was wollte der Autor mit diesem Artikel bewirken? Und weshalb hat so Wichtiges ausser Acht gelassen: nämlich die rege Aktivität einer vielseitigen Szene zu erwähnen?

Ich gehe nicht von bösen Absichten aus und denke auch nicht, dass Meyer auf diese Weise die MusikerInnen anspornen wollte. Der Eindruck, den die Lektüre bei mir hinterliess, ist vielmehr der, dass Meyer als Kritiker sich selber die Frage stellt, wie künftig angemessen und differenziert, kritisch und anspruchsvoll über diese Musik zu schreiben und zu sprechen sei. Dass er sich fragt, wo die theoretische Auseinandersetzung steht in Bezug zur Praxis, oder was das heute ist, die freie Improvisation. Ich stelle die Vermutung in den Raum, dass dieser Artikel nicht das Ende einer Musikpraxis meinte, sondern die Notwendigkeit von neuer Reflexion, ausgehend von den jungen ImprovisatorInnen.

Dass dieser Autor als einer der wenigen, die sich hierzulande aktiv und kontinuierlich in der Kulturpresse zur freien Improvisation äussern, eine kritische und vielstimmige Diskussion vermisst, kann ich gut nachvollziehen. Ich denke, dass ein Problem der Improvisation – und auch das Problem der Rezeptionsgeschichte von Meyers Artikel – in der problematischen Begrifflichkeit liegt. Der Diskurs zur freien Improvisation wird tatsächlich, besonders unter MusikerInnen jüngerer Generationen, kaum geführt, im Vergleich etwa zur stark gewichteten Reflexion in der bildenden Kunst. Zwar wird nach Konzerten, vor allem in kleinen Konzertlokalen wie dem von MusikerInnen geführten Mullbau in Luzern, unter den auftretenden MusikerInnen gemeinsam mit BerufskollegInnen und aussenstehenden Personen aus dem Publikum sehr intensiv und auch heftig, aber offen und ohne Dünkel über das Gehörte und darüber hinaus diskutiert. Doch diese Gespräche werden nicht bis ins Feld der Theorie getragen, bzw. die jüngeren MusikerInnen diskutieren unter sich, treten aber nicht als Sprechende oder Schreibende nach aussen. Dem mögen schlechte Erfahrungen mit Theoretikern zugrunde liegen, mangelnde Übung im verbalen Formulieren von Erfahrungen und Intentionen oder schlicht Desinteresse an der Sprache. Jedenfalls scheint eine Theoriebildung aus der Praxis heraus, eine nach aussen getragene Reflexion der Praxis durch die MusikerInnen selbst und damit die aktive Beteiligung an der Diskursbildung tatsächlich weitgehend zu fehlen.

Das ist die eine Seite, auf der anderen stehen die Theoretiker, Kritiker, unter denen die Auseinandersetzung mit Improvisation ebenfalls wenig öffentlich stattfindet – möglicherweise gerade deshalb, weil ein Verständnis dafür eben sehr viel Teilnahme durch Hören verlangt und das Sprechen darüber nicht möglich ist, indem man sich derselben Sprache bedient, in der man über kompositorische Prinzipien spricht. Vielmehr müsste die Sprache für das Sprechen über diese Musik erweitert werden, woran auch die MusikerInnen beteiligt sein müssen. Es sind ja die Begriffe, die unsere Vorstellungen prägen und auch begrenzen, die irgendwann zu eng sind oder zu belastet, die dann durch andere ersetzt oder aber einer Neudefinition/Erweiterung unterzogen werden müssen.

Da liegt meines Erachtens ein Problem dieses Artikels und der Diskussion, die dazu entstanden ist. Der Autor selbst differenziert leider nicht zwischen den verschiedenen Ebenen, auf denen der Begriff freie Improvisation gelesen werden kann. Die antwortenden MusikerInnen haben zum Teil sehr differenziert und anschaulich diese Bedeutungsebenen herausgezeichnet. Sich der Unterschiede in der Diskussion bewusst zu sein, ist wichtig für die Schlussfolgerungen, die LeserInnen aus dem Artikel ziehen, und eben auch für die politischen Konsequenzen.

Ich möchte im Folgenden kurz die im Artikel anklingenden Ebenen auseinanderhalten.

Zum Einen wird auf die historische freie Improvisation Bezug genommen, die damals als eine Bewegung entstanden ist und grossen Einfluss auf die Entwicklung der Musik hatte. Wie auch in der bildenden Kunst war dies eine Zeit, in der die Thematisierung der Grenzen ein wesentliches Anliegen der KünstlerInnen war, es galt, diese Grenzen zu erweitern, verschieben, aufzulösen. Damit rührte man an noch existierenden Tabus, man leistete unweigerlich Widerstand gegen die bürgerlichen Normen im Kulturverständnis, gegen den akademischen Kanon, gegen konservative ästhetische Vorstellungen. Freie Improvisation zu praktizieren oder Aktionskunst zu machen war damals eine politische Handlung, automatisch, es war provozierend und existentiell, denn es ging darum, die Freiheit der Kunst gegenüber der Gesellschaft durchzusetzen und sich von der Vergangenheit zu emanzipieren. Freie Improvisation hiess, gegen den bürgerlichen Geschmack zu verstossen, damit auf Ablehnung zu stossen, als schlechter Musiker verschrien zu sein, kämpfen zu müssen. Freie Improvisation war damals eine Ideologie, für die man alles gab. Dies ist die Dringlichkeit, von der im Artikel gesprochen wurde, die Revolution, die vorbei sei.

Als solche, als ideologische Revolution, hat diese sicher stattgefunden, wie erwähnt wird. Wir wissen, dass wir heute nicht mehr provozieren können mit einem Konzert, das auf der ästhetischen Ebene Grenzen auslotet. (Tabus sind heute anderswo, etwa jenseits der political correctness.) Auch ist Provokation heute nicht die Triebfeder der freien Improvisation. Es gibt auch keinen Grund dazu, die gesellschaftliche Repression ist nicht mehr so stark wie damals. Die freie Improvisation als Ideologie, wie sie damals gelebt wurde, die ist vorbei.

Aber die freie Improvisation ist weit mehr als nur diese Ideologie. Da wurde etwa auch verschiedentlich von Methode gesprochen. Eine Arbeitsweise, die weder an eine bestimmte Zeit gebunden ist noch an eine enge Szene. So kommen die MusikerInnen, die Improvisation als Methode praktizieren, von ganz unterschiedlichen Gebieten her, aus der Klassik, dem Jazz, der Elektronik, dem Hiphop. Als Methode kann sie auch neben anderen Methoden zum Einsatz kommen, in Kombination. Und als Methode kann sie natürlich ein Stück weit vermittelt werden, wie dies etwa, wie erwähnt, an der Luzerner Hochschule geschieht. Hier wird mit Möglichkeiten, Spielweisen experimentiert, es wird diesen im dichten Lehrplan des Studiums ein Platz geboten und zwar durchaus mit der Idee, die Wichtigkeit solchen Arbeitens im Gegensatz zum interpretierenden Spiel zu betonen und zu fördern, und nicht um freie Impulse hiermit in eine Bahn zu lenken. Das ist wichtig, um innerhalb unserer durchstrukturierten, leistungsorientierten Hochschulen und Berufswelten ein Bewusstsein für offene Arbeitsformen, für Wahrnehmung und nonverbale Kommunikation zu bewahren.

Dass die Eingliederung der Improvisation in die Hochschule kritisch betrachtet wird, ist richtig und wichtig, denn wir wissen, dass eine institutionelle Vereinnahmung das beste Mittel ist, um rebellische Tendenzen zu schwächen. Doch wenn Methoden vermittelt werden, so bleibt das improvisatorische Denken noch immer Aufgabe des Einzelnen – es lässt sich nicht lehren, aber auch nicht durch Erziehung brechen.

Denn neben Ideologie und Methode sehe ich eine dritte Existenzform, in der freie Improvisation auch heute noch sehr lebendig und zeitgemäss ist: die der Haltung. Hier geht es, im Unterschied zur historisch geprägten Ideologie, nicht um eine explizit politische Bewegung, sondern um ein Denken, das die MusikerInnen als Menschen prägt: um ihre Form der Auseinandersetzung mit der Wahrnehmung von Raum und Zeit und Materialität, um ihre Aufmerksamkeit, um ihren Forschergeist, um ihr Bedürfnis nach ständigem Neuanfang (zu Recht wurde in vorangehenden Texten sehr schön formuliert, dass eine Improvisation nach jedem Spiel stirbt und mit jedem neuen geboren wird). Diese Haltung lebt unglaublich vielfältig weiter, bei einer Menge junger MusikerInnen, und sie entwickelt sich mit der Zeit weiter. Diese Haltung haben auch die älteren Hasen beibehalten, die sich, wie Meyer erwähnt, neuen Bereichen geöffnet und Einflüsse produktiv integriert haben.

Und gerade weil die ideologischen Fesseln mittlerweile weggefallen sind, kann sich die freie Improvisation als Haltung heute weitaus breiter und heterogener entfalten als damals – sie ist vielleicht gar im eigentlichen Sinne freier, weil undogmatischer geworden. Die frei improvisierenden MusikerInnen beziehen, wie auch in anderen Textbeiträgen erwähnt wurde, vielseitigste Einflüsse mit ein, was nicht zur Abschwächung des improvisatorischen Gedankens führt, sondern zu dessen steter Bewegung, Erneuerung, Diversifizierung, zu einer bereichernden Heterogenität. Es stimmt, dass viele MusikerInnen sich heute parallel sowohl auf dem Gebiet der Improvisation als auch der Komposition und Interpretation, des Jazz oder der Neuen Musik beschäftigen, dass diese unterschiedlichen Tätigkeitsbereiche sich auch gegenseitig inspirieren, aber das halte ich weniger für eine künstlerische Inkonsequenz als vielmehr für ein Merkmal unserer Zeit, für einerseits eine Folge des Stilpluralismus in der Kunst und aber auch des Multitaskings in der Arbeitswelt und der elektronischen Vernetzung und gewaltigen Verfügbarkeit auf der Ebene der Information. Es ist heute einfacher, als improvisierender Musiker etwa auch Zugang zu haben zu Formen der Improvisation, die in anderen Völkern traditionsgemäss praktiziert werden und dadurch seinen Horizont zu erweitern. Ich stelle heute eine riesige Neugier dem verschiedenen Klangmaterial gegenüber fest, und gerade in Reaktion auf die kulturpolitischen Tendenzen der letzten Jahre, alle künstlerischen Ausdrucksformen zu kategorisieren, entwickeln FreidenkerInnen das Bedürfnis, sich diesen eindeutigen Zuschreibungen zu entziehen.

Auf diese Weise entwickelt sich die freie Improvisation mit der Zeit weiter und bleibt lebendig, sie sucht den Kontakt zum experimentellen und freien Theater, zur Spoken Word Szene oder auch zur Neuen Musik – und ja, ich selbst als bildende Künstlerin bin durch den engen Austausch wesentlich geprägt worden – weil dank des Wegfalls der Ideologien die verwandten ästhetischen Fragen sichtbar werden.



Zurück zu Meyers Rede vom Ende der Improvisation und Problem des fehlenden Diskurses. In Anbetracht der vorangegangenen Gedanken scheint mir hier ein Teil des Problems beim Begriff zu liegen, bei der Art, wie er verwendet wird und der unklaren Deklaration der Bedeutungsebene im Text von Meyer.

Eine klare Positionierung seitens des Autors wäre hier zwingend nötig, um nicht eine äusserst aktive, engagierte, von Eigeninitiative getriebene Szene missverständlicherweise totzusagen.

Ich höre aber auch ein Zweifeln des Autors bezüglich der Begrifflichkeit und die damit implizierte Nachfrage um Antworten von anderen heraus: Ich höre heraus, dass Thomas Meyer an die LeserInnen die Frage richtet, wie heute über die Improvisation gesprochen werden kann. Ich höre seinen Ruf – sowohl an die MusikerInnen wie an die TheoretikerInnen – nach einer verstärkten Diskussion der Begriffe. Dass er dies tut ist nur verständlich, denn als Kritiker ist die Begrifflichkeit sein Material, nicht die Töne sind es, und somit wird er natürlicherweise darum besorgt sein, dass man auch auf dieser Ebene nicht stehen bleibt, sondern kritisch fragt: Dienen die geläufigen Begriffe von damals noch für eine Diskussion der heutigen Praxis?

Nun kann man als MusikerIn sagen, das sei doch irrelevant. Einer solchen Begriffsscheu begegnet man bisweilen in der jüngeren Generation. Doch diese Fragen haben heute eine neue Dringlichkeit, da sich auch die Musikhochschulen gemäss dem bildungspolitischen Auftrag im Bereich der Forschung betätigen müssen. Thomas Meyer ist selbst an einem Forschungsprojekt zusammen mit – teilweise auch komponierenden – improvisierenden Musikern beteiligt, und als Theoretiker in der Gruppe fällt ihm natürlich stark die Rolle der begrifflichen Reflexion und Positionierung zu. Nun wäre es meiner Ansicht nach absolut wichtig, dass ein Prozess der Begriffsbildung nicht nur hochschulintern initiiert und geführt wird, sondern von den in der freien Szene aktiven improvisierenden MusikerInnen mitgetragen und wesentlich mitbeeinflusst wird. Nur gestützt auf eine vielseitige Praxis, auf heterogene Stimmen kann ein Diskurs wachsen, welcher der Vielfalt der freien Improvisation gerecht wird.

Im Vergleich dazu ist es in der bildenden Kunst selbstverständlich, dass KünstlerInnen sich verbal zu ihrer Arbeit äussern können müssen, dass sie sich im aktuellen Kontext positionieren können, dass sie eine Sprache entwickeln, um ihre Ideen zu formulieren. Ohne diese Fähigkeit kommen wir als bildende KünstlerInnen nirgendwo hin, besonders heute, da wir uns grösstenteils selber managen. Dieses Bewusstsein für die reflektierende Ebene des Schaffens ist nicht neu, schon seit jeher haben Kunstschaffende auch geschrieben, debattiert, Texte veröffentlicht. Infolgedessen ist auch die Diskussion um Begriffe, ihre Verwendbarkeit und Aktualität viel intensiver, bisweilen rückt sie gar zu sehr in den Fokus und behindert den offenen Blick. Die begriffliche Reflexion hilft aber auch, aktuelles Schaffen zu früheren, ähnlich motivierten Tendenzen in Bezug zu setzen, davon abzugrenzen und in einem neuen zeitlichen Kontext zu aktualisieren.

Natürlich hat das, bei aller Schärfung der Reflexion, auch zu einer Überschwemmung von definierten Kunstformen geführt, die in der Praxis dann auch viel zu eng sind. So üben heute – vielleicht ähnlich wie in der improvisierten Musik – viele KünstlerInnen eine vielschichtige, heterogene Tätigkeit an Schnittstellen zwischen Gattungen, zwischen Kunst und anderen Disziplinen aus und entziehen sich dezidiert einer Zuordnung, nicht ohne aber für sich selbst doch eine Form des Sprechens zu suchen.

So wünsche ich mir für die frei improvisierenden MusikerInnen, dass sie ihre Offenheit und Aktivität beibehalten, dass sie aber auch den Diskurs suchen, mitentwickeln und sich bewusst sind: die freie Improvisation kann – als ideologisch geprägter Begriff – vielleicht vergangen sein, aber als Denken bleibt sie hochaktuell. Und die freie Improvisation mag sich auch fragen, was heute ihre Dringlichkeit, ihre gesellschaftliche Notwendigkeit ist: Denn diese ist sicher nicht die gleiche geblieben wie damals, sie liegt nicht mehr im Niederreissen der Grenzen von Musik, aber eine Notwendigkeit gibt es. Ich vermute sie stark etwa auf der Ebene der Aufmerksamkeit und Konzentration auf einen Moment, einen vielleicht ganz leisen, ganz langsamen Moment, in der Fähigkeit, sich auf etwas einzulassen, das man nicht im Vornherein weiss und nicht kontrollieren kann und in der Tatsache, dass nur die physische Begegnung, die Einmaligkeit von zusammenfallenden räumlichen, zeitlichen, emotionalen, mentalen Bedingungen gewisse musikalische Erfahrungen ermöglicht.

Wie zu Beginn erwähnt: Dass die jungen freien ImprovisatorInnen sich aus einem breiten Diskurs eher zurückhalten, damit hat Thomas Meyer wohl Recht. Dass er aber trotzdem mit keinem Wort (!) die Existenz dieser grossen dynamischen Szene mit jungen MusikerInnen, die sich beharrlich der freien Improvisation widmen, erwähnt, das nehme ich ihm doch sehr, sehr übel. Denn damit ebnet er den Weg für eine verheerende Fehlinterpretation seines Artikels durch Musikförderinstitutionen. Ich selbst besuche im Schnitt drei- bis viermal monatlich ein Konzert im Mullbau in Luzern, dabei sind SolistInnen, Duos, Trios, die ich schon kenne und solche, die für mich immer wieder Neuentdeckungen bieten, und ich war noch jedesmal überrascht, ich höre immer wieder Anderes als das, was ich erwartet habe und möchte auf den intensiven gedanklichen Austausch, den ich als Künstlerin dort mit den MusikerInnen in den letzten drei Jahren erlebt habe, auf keinen Fall verzichten.

Thomas Meyer lade ich von Herzen ein, endlich auch einmal und künftig möglichst oft an die Konzerte in den Mullbau zu kommen (das gleiche empfehle ich ihm für die Konzerte, die in Biel, Lausanne, Genf etc. organisiert werden), denn er wird überrascht sein, wie viel es da zu entdecken gibt. Und ich freue mich, mit ihm und den anwesenden MusikerInnen zu diskutieren.

Denn ich bin mir immer noch nicht im Klaren darüber, was er mit seinem Artikel bezwecken wollte, und das würde mich doch sehr interessieren.

Mit besten Grüssen

Miriam Sturzenegger

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